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Hartz IV Urteil: Erneute Schonfrist für zu teure Wohnung

LSGUrteil-Kostensenkungsverfahren

Wenn eine Wohnung zu groß und zu teuer ist, verhängt das Jobcenter ein Kostensenkungsverfahren. Der Hilfesuchende hat daraufhin in der Regel sechs Monate Zeit, die Wohnkosten zu senken. Andernfalls zahlt das Jobcenter nur noch die angemessenen Wohnkosten – Die restliche Miete muss dann vom Hilfesuchenden aus eigener Tasche bezahlt werden. Das Landessozialgericht hat nun entschieden, dass im Einzelfall ein erneutes Kostensenkungsverfahren durchgeführt werden muss, wenn die Umstände dies erfordern.

Zum Sachverhalt

Nachdem die Frau und das Kind des 51-jährigen Hannoveraners aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen sind, beschloss der Mann, die Wohnung alleine weiter zu bewohnen. Die Wohnungsmarktsituation in Hannover ist schließlich sehr angepasst und er konnte sich die Wohnung mit seinem Gehalt weiterhin leisten.

Doch es kam anders als erhofft: Der Mann wurde arbeitslos, fand innerhalb eines Jahres keinen neuen Job und rutschte schließlich in Hartz IV. Das Problem: Die Wohnung war für eine Person viel zu groß und zu teuer, sodass das Jobcenter den Hilfebedürftigen aufforderte, seine Unterkunftskosten nach § 22 SGB II innerhalb von sechs Monaten zu senken. Der 51-Jährige kam der Kostensenkungsaufforderung des Jobcenters nach, indem er die Wohnung an eine Studentin untervermietete.

So hoch darf die Miete beim Bürgergeld sein

Dann der Wandel: Der Mann fand wieder Arbeit und war nicht mehr auf Hartz IV und das Jobcenter angewiesen. Die Miete konnte er durch das neue Gehalt wieder alleine übernehmen, sodass die Wohnung nicht mehr untervermietet werden musste. Allerdings kündigte ihn sein Chef innerhalb der Probezeit nach fünf Monaten, sodass er erneut hilfebedürftig wurde und wieder auf Hartz IV angewiesen war.

Jobcenter stellt sich bei den zu hohen Wohnkosten quer

Obwohl ein neuer Hartz IV Antrag gestellt wurde, wollte das Jobcenter von Vornherein nur die angemessenen Wohnkosten des Hilfebedürftigen übernehmen. Als Begründung berief es sich auf das vergangene Kostensenkungsverfahren. Dass der Mann der damaligen Aufforderung aber nachkam und zwischendurch sogar gearbeitet und nicht mehr auf Hartz IV angewiesen war, ließ das Jobcenter völlig außer Acht!

Der Mann widersprach der fehlerhaften Berechnung für Unterkunft und Heizung im Bewilligungsbescheid, denn schließlich lag ein „neuer Fall“ vor, sodass auch ein erneutes Kostensenkungsverfahren erforderlich war. Außerdem war (und ist) die Wohnungsmarktsituation in Hannover sowieso sehr angespannt, sodass es sehr schwierig wäre, überhaupt eine neue, angemessene Wohnung zu finden.

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen gibt Hilfebedürftigen teilweise Recht

Der Hannoveraner klagte bis zum Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen und bekam dort schließlich teilweise Recht (27.07.2018, L 11 AS 561/18 B ER). Das Gericht stellte zwar grundsätzlich klar, dass eine Kostensenkungsaufforderung aus der Vergangenheit auch in der Zukunft ihre Warn-und Hinweisfunktion beibehält und ein Kostensenkungsverfahren nicht wiederholt werden muss. Aber: Das Jobcenter muss stets die jeweilige Situation im Einzelfall betrachten und – wenn notwendig – eine Einzelfallentscheidung treffen. Dies gilt auch beim Kostensenkungsverfahren.

Erneutes Kostensenkungsverfahren notwendig

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen gewährte dem Klagesteller ein erneutes Kostensenkungsverfahren mit einer Frist von drei Monaten. Die – wie wir finden richtige – Begründung des Gerichts: Der Hilfebedürftige hat fünf Monate gearbeitet und war in dieser Zeit nicht gezwungen, die Kosten seiner Wohnung zu senken. Er wurde jedoch kurzfristig in der Probezeit gekündigt, sodass er gar keine Möglichkeit hatte, die Wohnkosten zu senken. Diese Möglichkeit hätte ihm das Jobcenter mit einem erneuten Kostensenkungsverfahren geben müssen.

Leitsatz des Gerichts

Die Warn- und Hinweisfunktion einer Kostensenkungsaufforderung bleibt auch bei einem kurzzeitigen (hier: viermonatigen) Ausscheiden aus dem SGB II-Leistungsbezug weiterhin wirksam, soweit die zur Unangemessenheit der KdUH führenden Umstände im Wesentlichen unverändert geblieben sind. Werden nach einer nennenswerten Unterbrechung des SGB II-Leistungsbezugs entsprechende Leistungen erneut beantragt, ist anhand aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob eine neue Frist zur Senkung der Unterkunftskosten einzuräumen ist.

SG Hannover – 27.06.2018 – AZ: S 47 AS 2208/18 ER
LSG Hannover Niedersachsen Bremen – 27.07.2018 – AZ: L 11 AS 561/18 B ER

Titelbild: Zolnierek / shutterstock.com