Steuererstattung und Hartz IV, was passiert mit dem Geldsegen vom Finanzamt, auf das viele Bürger jedes Jahr warten? Grundsätzlich sind Steuerrückzahlungen immer ein Grund zur Freude. Diese Freude können Hartz IV Bedürftige leider nicht teilen, denn eine Steuererstattung wird im Leistungsbezug als Einkommen bei Hartz IV berücksichtigt und daher voll auf den Leistungsanspruch angerechnet.
Inhaltsverzeichnis
Steuererstattung als einmalige Einnahme
Im laufenden Hartz IV Bezug werden Steuererstattungen, unabhängig von ihrer Höhe, als einmalige Einnahme zum Zeitpunkt des Zuflusses bzw. im Folgemonat als Einkommen – nicht als Vermögen -bedarfsmindernd berücksichtigt. Dabei spielt es keine Rolle, ob man Hartz IV zur vollständigen Deckung des Lebensunterhalts oder nur aufstockende Leistungen neben der Erwerbstätigkeit vom Jobcenter erhält. Für Hartz IV Aufstocker gelten dieselben Anrechnungsregelungen.
Hierzu heißt es in § 11 Abs. 3 SGB II:
Einmalige Einnahmen sind in dem Monat, in dem sie zufließen, zu berücksichtigen. Zu den einmaligen Einnahmen gehören auch als Nachzahlung zufließende Einnahmen, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht werden.[…]
Einen Freibetrag von 100 Euro gibt es bei der Steuererstattung nicht, da es sich nicht um Erwerbseinkommen handelt. Lediglich die 30 Euro Pauschale für angemessene Versicherungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-VO kann von der Steuerrückzahlung für die Hartz IV Anrechnung abgesetzt werden.
Erstattungen aus Zeiten vor Leistungsbezug
Für die Anrechnung der Steuererstattung als Einkommen bei Hartz IV spielt der Zeitraum, für den diese ausgezahlt wird, keine Rolle. Damit schließt der Gesetzgeber auch Zahlungen ein, die für Zeiträume erbracht werden, die vor dem Leistungsanspruch auf Hartz IV erbracht werden. Es gilt ausschließlich das Zuflussprinzip.
Anrechnung im Folgemonat
Geht die Steuererstattung auf dem Konto des Leistungsberechtigten ein, nachdem die monatliche Hartz IV Auszahlung bereits erfolgte, wird sie im Folgemonat als Einkommen angerechnet. Da Hartz IV Leistungen im Regelfall bereits im Voraus vom Jobcenter gezahlt werden, werden Steuererstattungen in den meisten Fällen im Folgemonat des Zuflusses berücksichtigt
Beispiel:
- 02.05.2022 Auszahlung der Hartz IV für Mai
- 06.05.2022 Eingang der Steuererstattung auf dem Konto
Die Steuererstattung wird ab dem Folgemonat – Juni 2022 – als einmalige Einnahme angerechnet
Aufteilung der Steuererstattung über 6 Monate
Würde die Steuerrückzahlung die Hilfebedürftigkeit im Monat der Anrechnung vollständig beenden, muss die einmalige Einnahme gleichermaßen auf 6 Monate verteilt werden. Diese Regelung ergibt sich aus § 11 Abs. 3 S. 4 SGB II und ist damit eine gesetzliche Vorgabe und kein Ermessensspielraum des Jobcenters.
Beispiel: Steuererstattung für 2021 von 1.800 Euro erfolgt am 10.05.2022 und würde als einmalige Einnahme ab Juni als Einkommen angerechnet. Durch die volle Anrechnung in einem Monat die Hilfebedürftigkeit entfallen, weshalb die Zahlung in den Monaten Juni bis November mit jeweils 300 Euro, gekürzt um die 30 Euro Versicherungspauschale, mit 270 Euro angerechnet werden.
Die Aufteilung der einmaligen Einnahme auf gleichermaßen sechs Monate muss zwingend erfolgen, auch wenn absehbar ist, dass der Leistungsbezug, beispielsweise aufgrund des Endes des Bewilligungszeitraums, beendet wird.
Gleichzeitig bedeutet das Ende des Bewilligungszeitraums nicht das Ende der Sechstelregelung, sofern ein Weiterbewilligungsantrag beim Jobcenter auf Hartz IV erfolgt.
Greifen wir das Beispiel von oben auf und der Bewilligungszeitraum des Hartz IV Leistungsberechtigten endet im August. In diesem Fall würden 3 Monate mit jeweils 270 Euro (300 Euro gekürzt um Versicherungspauschale) im laufenden Bewilligungszeitraum (Juni bis August) angerechnet. Hat der Bedürftige einen Weiterbewilligungsantrag gestellt und die Leistungen laufen ab September nahtlos weiter, so würden in den Monaten September bis November des neuen Bewilligungszeitraums jeweils 270 Euro angerechnet.
Geld aus Steuererstattung bereits ausgegeben
Die Anrechnung der einmaligen Einnahme im Verteilzeitraum und damit Kürzung der laufenden Leistungen darf aber nicht in jedem Fall erfolgen. Insbesondere wenn der Hilfebedürftige diese bereits zu anderen Zwecken als zur Bestreitung der aktuellen Notlage verwendet und sie nicht mehr zur Deckung des laufenden Bedarfs zur Verfügung hat. So beispielsweise in den Fällen, die vor dem Bundessozialgericht unter den Az.: B 4 AS 9/20 R sowie Az.: B 14 AS 33/12 R verhandelt wurden, bei denen die vom Finanzamt eingegangene Steuererstattung zum Ausgleich von Schulden für ein Immobiliendarlehen bzw. Ausgleich des Dispokredites genutzt wurde. In beiden Fällen hatte das Bundessozialgericht entschieden, dass die Steuerrückzahlung dem Hilfebedürftigen nicht mehr als „bereites Mittel“ zur Deckung des Lebensbedarfs zur Verfügung stehe und auch kein sozialwidriges Verhalten vorliege. Demzufolge darf das Jobcenter keine fiktiven Einkünfte anrechnen und muss weiterhin ungekürzt Leistungen zur Deckung des Lebensbedarfs erbringen – allerdings dann nicht mehr als Zuschuss sondern als Darlehen nach § 24 Abs. 4 SGB II.
Unterbrechung der Hilfebedürftigkeit
Wird die Hilfebedürftigkeit jedoch um mindestens einen Monat unterbrochen – ohne Berücksichtigung der Steuererstattung – und entsteht anschließend wieder Hilfebedürftigkeit, unterbricht der erneute Hartz IV Antrag den Verteilzeitraum nicht. Allerdings werden die restlichen (nicht angerechneten) Beträge nicht mehr als Einkommen sondern als Vermögen angerechnet, was für den Hilfebedürftigen aufgrund der Freibeträge deutlich vorteilhafter sein kann.
Wir führen das Beispiel von oben fort und der Bewilligungszeitraum ist im August ausgelaufen – 3 Monate mit insgesamt 900 Euro wurden nicht angerechnet. Im September bestand aufgrund Erwerbstätigkeit keine Hartz IV Bedürftigkeit. Im Oktober werden wieder Hartz IV Leistungen beantragt. Bei dieser Konstellation wird nun der nicht berücksichtigte Teil der einmaligen Einnahme nach einer Entscheidung des BSG vom 30.09.2008 unter Az: B 4 AS 29/07 R in Höhe von 900 Euro als Vermögen berücksichtigt und nicht mehr als Einkommen.
Wertung Steuererstattung als Vermögen
Ausschlaggebend für die Wertung der Steuererstattung als Vermögen ist, dass diese dem Bedürftigen bereits vor der Hartz IV Antragstellung zugeflossen ist.
Höhere Freibeträge auf Vermögen
Während eine Steuererstattung, die im laufenden Hartz IV Bewilligungszeitraum zufließt, als Einkommen berücksichtigt wird und lediglich um die Versicherungspauschale von nur 30 Euro (bei Aufteilung, 30 Euro je Monat) bei der Anrechnung gemindert wird, stehen jedem Hilfebedürftigen in der Bedarfsgemeinschaft 150 Euro/ vollendetem Lebensjahr als Vermögensfreibetrag zu, mindestens aber jeweils 3.100 Euro (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II). Ein Ehepaar in Bedarfsgemeinschaft hätte also bereits einen Freibetrag auf das Vermögen von mindestens 6.200 Euro, so dass sich eine Steuererstattung bis zu dieser Höhe nicht auf den Hartz IV Anspruch auswirken würde, sofern diese vor dem Hartz IV Antrag zufließt.
Beispiel: Eine 28-jährige hat vor Hartz IV Antragstellung eine Steuerrückzahlung von 600 € erhalten. In Bezug auf ihr Alter steht ihr ein Freibetrag von 4.200 € zu (28 vollendete Lebensjahre * 150 €), sodass die Steuererstattung nicht bedarfsmindernd auf Hartz IV angerechnet wird
Urteile Steuerrückzahlung bei Hartz IV Bezug
Vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg v. 07.07.11 (L 29 AS 928/11 NZB) klagte eine Hartz IV Bedürftige, weil ihre Steuererstattung aus der Zeit der Erwerbstätigkeit auf den Hartz IV Leistungsanspruch angerechnet wurde und so die Leistungen vom Jobcenter teilweise aufgehoben wurden. Die Klägerin argumentierte, die Steuererstattung dürfe nicht auf die Grundsicherungsleistungen angerechnet werden, da es sich um ihr grundgesetzlich geschütztes Eigentum handle. Diesen Ausführungen folgte das Landessozialgericht nicht und wies die Klage ab.
BVerfG gibt LSG Recht
Gegen das Urteil des LSG erhob die Klägerin Verfassungsbeschwerde. Das Bundesverfassungsgericht folgte unter dem Az. 1 BvR 2007/11 vom 08.11.2011 jedoch den Vorinstanzen: Die Anrechnung von Steuererstattungen auf steuerfinanzierte Sozialleistungen als Einkommen führen zu keiner Verletzung des Grundrechts auf Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 GG, so die unanfechtbare Entscheidung des Gerichts.
Weiter führte das Bundesverfassungsgericht aus, dass es sich nicht um eine Kürzung der Steuererstattung handle, sondern dass die Steuerrückzahlung als Einkommen die staatlichen Hartz IV Leistungen – die als „fürsorgliche Sozialleistung“ nicht als Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG geschützt seien. Demnach liegen die Voraussetzungen für die Annahme einer Verfassungsbeschwerde nicht vor, darüber hinaus sei diese unbegründet und hat keine Aussicht auf Erfolg.
Wie erfährt das Jobcenter von einer Steuererstattung?
Wer Hartz IV Leistungen nach dem SGB II bezieht, hat auch Mitwirkungspflichten, worunter auch die Vorlage von Steuerbescheiden und Kontoauszügen fällt. Möglicherweise lässt sich das Jobcenter bereits beim Hartz IV Antrag den letzten Steuerbescheid vorlegen. Gerade wenn man Hartz IV nur aufstockend – also zum Erwerbseinkommen erhält – wird man regelmäßig die Steuerbescheide vorlegen müssen, aus denen auch möglicherweise eine Steuerrückzahlung resultiert.
Auch könnte das Jobcenter die Vorlage des Steuerbescheides verlangen, wenn man im vergangenen Jahr einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist. Denn die Wahrscheinlichkeit ist in diesem Fall sehr hoch, dass es im laufenden Jahr dann zu einer Steuererstattung im Rahmen der Einkommensteuererklärung kommt, insbesondere auch dann wenn man nicht das gesamte Jahr durchgehend gearbeitet hat.
Darüber hinaus können auch die Steuerklassen, bei Ehegatten, ein Anzeichen dafür sein, dass eine Steuererklärung abgeben werden muss – unabhängig davon ob eine Steuererstattung- oder Nachzahlung dabei herauskommt. Hat beispielsweise ein Ehepaar die Lohnsteuerklassen III und V gewählt, sind die verpflichtet eine Steuererklärung abzugeben, das wissen auch die Jobcenter, die dann den Steuerbescheid zur Einsicht einfordern werden.
Datenabgleich mit Finanzbehörden
Jobcenter haben darüber hinaus die Möglichkeit, die sie auch rege nutzen, um regelmäßig Datenabgleiche mit den Finanzbehörden zu machen. Zwar bekommen dadurch die Jobcenter nicht heraus, in welcher Höhe eine Steuererstattung erfolgt ist, können aber vom Bundeszentralamt für Steuern erfahren, ob Einkünfte vorliegen, die der Hartz IV Leistungsempfänger nicht angegeben hat. Bei weiterem Nachhaken beim Finanzamt könnte das Jobcenter auch hier weitere Informationen erhalten.
Steuererstattungen nicht melden und Anrechnung umgehen?
Wir raten ausdrücklich davon ab, Steuererstattungen beim Jobcenter zu verheimlichen, da die Konsequenzen eines bewussten Verschweigens bzw. Nichtnennens gravierend sein können – dies kann sogar bis zu Sozialbetrug reichen, wenn man sich so arglistig Hartz IV Leistungen beim Jobcenter erschlichen hat.
Das Wichtigste in Kürze zusammengefasst
Werden Steuerrückzahlung bei Hartz 4 angerechnet?
Bei Steuererstattungen, die im laufenden Hartz IV Bezug zufließen, handelt es sich um sonstiges Einkommen. Bis auf eine Pauschale in Höhe von 30 Euro werden diese auf die Grundsicherung angerechnet. Je nach Höhe der Steuerrückzahlung muss diese aber auch auf sechs gleiche Teile aufgeteilt werden.
Sind Hartz 4 Bedürftige steuerpflichtig?
Nein, Hartz IV muss nicht in der Steuererklärung angegeben werden, da es sich dabei um eine steuerfreie Sozialleistung handelt – die auch nicht dem Progressionsvorbehalt unterliegt. Wird in einem Jahr ausschließlich Hartz IV bezogen, ohne anderweitig beschäftigt gewesen zu sein, muss gar keine Steuererklärung abgegeben werden.
Quelle: Bundesverfassungsgericht Az. 1 Bvr 2007/11
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