Weg mit Hartz IV. Diese Forderung wird im aktuellen Wahlkampf immer lauter. Konsequenterweise müsste dann aber auch an einer weiteren Stellschraube gedreht werden: dem Jobcenter. Der Evangelische Verband Kirche-Wirtschaft-Arbeitswelt (KWA) hat in Gesprächen mit Betroffenen – Hartz IV Bedürftige, Jobcentermitarbeiter und Vertreter sozialer Einrichtungen – ein Bild vom Jobcenter der Zukunft gezeichnet. Denn laut KWA handelt es sich um eine Behörde, „die unser soziales Klima prägt wie kaum eine andere“.
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Jobcenter aus Sicht Betroffener
„Unser Ausgangspunkt sind nicht statistische Zahlen, sondern die Menschen, die das Jobcenter aus persönlicher Betroffenheit oder durch ihre tägliche Arbeit genau kennen“, erklärt die KWA-Vorsitzende Gudrun Nolte im Vorwort. Das Ergebnis ist eine 32-seitige Broschüre mit dem Titel „Jobcenter der Zukunft – Perspektiven auf eine umstrittene Behörde“.
Sozialverbände: Hartz IV hat keine Zukunft
Die aktuelle Situation: Es gibt bundesweit 406 Jobcenter. Sie sind Anlaufstelle für rund fünf Millionen Bürgerinnen und Bürger, die auf Hartz IV angewiesen sind. Dabei hinterlassen die Behörden bei vielen eher Unbehagen. Dafür sorgen die hohe Regelungsdichte und die Bürokratie. Das macht übrigens nicht nur Hartz IV Bedürftigen zu schaffen, sondern auch vielen Mitarbeitern in den Jobcentern.
Kontrovers Bild des Jobcenter-Alltags
Wie genau das Jobcenter empfunden wird, haben 30 Gespräche mit insgesamt 34 Personen ergeben. Daraus wurden zehn Thesen entwickelt (siehe unten). Dabei geht es um eine Vielzahl von Facetten. So zeigt die Erfahrung der Befragten unter anderem, dass Arbeitssuchende und Arbeitsstellen aufgrund des unpassenden Stellenangebotes und der fehlenden Zeit der Sachbearbeiter nur schwer zusammenkommen.
Deutlich gravierender ist allerdings das generelle Empfinden, das mit dem Besuch im Jobcenter einhergeht. Hartz IV Bedürftige und andere sprechen von einem „mulmigen Gefühl“. Auch die Sorge vor möglichen Sanktionen schwingt mit.
„Sanktionen führen zu einer Angstkultur. Das Jobcenter sollte aber fördern“,
sagt zum Beispiel eine Alleinerziehende aus Mecklenburg-Vorpommern.
Im Report heißt es dazu: „Statt einer menschenzugewandten Haltung der Unterstützung und Förderung in einer schwierigen Lebenslage erleben viele in den Jobcentern einen misstrauischen Staat mit drohenden Sanktionen, der enorme psychische Belastungen auslöst.“ Oder anders ausgedrückt: Es ist nicht damit getan, Hartz IV zu reformieren, es braucht auch neuen Wind in den Jobcentern.
Zehn Thesen zum Jobcenter der Zukunft
Doch wie können sich die Jobcenter wandeln? Der KWA hat dazu zehn Thesen formuliert:
Das Jobcenter der Zukunft…
…steht für die Überwindung von Armut, nicht mehr für ihre Verfestigung.
…trennt die Existenzsicherung von der Arbeitsvermittlung.
…motiviert Menschen, anstatt sie zu bestrafen.
…fördert dauerhaft Arbeitsplätze für arbeitsmarktferne Menschen.
…investiert stärker in Berufsabschlüsse statt in kurze Trainings.
…wird vom Bürokratismus befreit.
…behält Corona-Vereinfachungen nach der Krise bei.
…verfügt über kompetentes, zufriedenes und ausreichendes Personal.
…ist ein offenes Haus und arbeitet mit Erwerbsloseninitiativen zusammen.
…baut Ängste ab und schafft Augenhöhe.
Broschüre: Jobcenter der Zukunft – Perspektiven auf eine umstrittene Behörde
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