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Statt eines fairen Bürgergelds gibt es Müll für Arme

Älterer Mann sucht Lebensmittel im Müllcontainer

Menschenverachtend: Anders lässt sich kaum umschreiben, was die Regierung gerade praktiziert. Statt ein faires Bürgergeld auf den Weg zu bringen und der Lebensmittelverschwendung an den richtigen Stellen zu begegnen, glaubt man, mit der Legalisierung des Containerns gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Nahrungsmittel, die im Müll landen, können straffrei aus der Tonne gefischt werden und von Armut betroffene Haushalte sparen Geld. Das ist schlicht widerlich.

Fader Beigeschmack

Dass man sich ausgerechnet in Zeiten einer enorm hohen Inflation an das Thema Containern wagt, ist schon auffällig – kann natürlich auch nur ein unglücklich gewählter Zeitpunkt sein. Deshalb hat der Vorstoß einen zynischen Beigeschmack. Denn die Tatsache, dass zwei Millionen Menschen die Tafeln überlaufen und immer mehr Haushalte mit oder ohne Bürgergeld nicht wissen, wie der nächste Einkauf bezahlt werden soll, sind echte Probleme. Doch brauchbare Lösungen liegen in weiter Ferne.

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Lebensmittelhandel: unnötiger Vorschlag

Containern nicht länger unter Strafe zu stellen, „sofern kein Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung vorliegt“, hilft in der derzeitigen Situation jedenfalls nicht. Diesen Schritt hätte man schon vor Jahren gehen können. Viele Staatsanwaltschaften stellen die Verfahren ohnehin wegen Geringfügigkeit ein. Der Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels sagt:

„Der Regelungsvorschlag der beiden Minister ist daher unnötig.“

Initiative bewirkt nichts

Diese Initiative bringe nichts im Hinblick auf die Reduzierung der Lebensmittelverschwendung, da im Handel die geringsten Verluste anfallen. Im Jahr 2020 lag der Anteil der Lebensmittelabfälle dort bei nur sieben Prozent (private Haushalte: 59 Prozent) – auch, weil bis zu 80.000 Tonnen Nahrungsmittel an die Tafeln gegeben würden, wenn von den Produkten keine Gefahr für die Gesundheit ausgehe. Daher sorgt sich der Handel jetzt, haftbar gemacht zu werden, falls jemand durch das Containern krank werde. Wobei hier wohl die viel gepredigte Eigenverantwortung zum Tragen kommen dürfte.

Tafeln sind verärgert

Ähnlich verstimmt wie der Handel reagieren die Tafeln. Sie nennen die Idee der Ampel auf Twitter „richtig menschenverachtend“: Frische Lebensmittel für armutsbetroffene Menschen, indem man Straffreiheit für das Containern unterstütze.

„Niemand soll im Müll wühlen müssen, um satt zu werden!“,

schreibt der Tafel Deutschland e.V. und fordert die Regierung auf, sich endlich um armutsfeste Bürgergeld-Regelsätze, Löhne und Renten zu kümmern.

Probleme werden nicht gelöst

Mit dem Thema Containern zünde die Regierung lediglich eine Nebelkerze. Das schaffe Aufmerksamkeit, bewirke aber nichts. Denn gute Nahrungsmittel müssten nicht im Müll landen, wenn die Politik Lebensmittelspenden endlich rechtssicher und einfacher gestalten würde, auch hinsichtlich der Haftung. Kurzum: Das Problem der Lebensmittelverschwendung wird dadurch nicht gelöst.

„Diese Symbolpolitik braucht niemand“,

so der Vorsitzende des Vereins, Jochen Brühl.

Inflation schluckt Hartz IV und das Bürgergeld

Ressourcen besser nutzen

Er plädiert für ein Lebensmittelrettungsgesetz, bei dem ähnlich viel Tempo gemacht werde, wie jetzt beim Vorstoß zum Containern. Denn: Gerettete Lebensmittel, die ordnungsgemäß gekühlt, transportiert und gelagert würden, seien Ressourcen, die genutzt werden könnten, um Menschen zu unterstützen. Die Politik lädt er ein: „Sprecht mit uns“. Schließlich retteten die Tafeln schon seit 30 Jahren Lebensmittel.

Fehlende Problemlösekompetenz

Eine ähnliche Einladung zu Gesprächen rund ums Bürgergeld hatten schon die Sozialverbände ausgesprochen, aber nie eine Antwort erhalten. Das scheint symptomatisch zu sein. Lieber das eigene Süppchen kochen, die Verantwortung auf andere schieben (wie etwa an die Tafeln), Menschen vorschreiben, was und wie sie zu essen haben, sich selbst loben und Bürgergeld-Empfängern sowie jedem armutsbetroffenen Haushalt Müll schmackhaft machen. Das spricht nicht gerade für Problemlösekompetenz. Wenn Hilfe angeboten wird, sollte man sie annehmen. Das wird auch von jedem erwartet, der Bürgergeld beantragt.

Bild: Lipik Stock Media/ shutterstock.com