Knappe Kassen in den Gemeinden bekommen auch Bürgergeld-Bedürftige zu spüren. Um den Haushalt nicht unnötig zu belasten, wird kurzerhand an den Kosten der Unterkunft und Heizung geschraubt. Denn die Mietobergrenzen, seinerzeit bei Hartz IV, heute beim Bürgergeld, werden auf kommunaler Ebene festgelegt. Sie sind maßgeblich dafür, ob Wohnraum angemessen ist oder nicht. Wenn nicht, zahlen Betroffene im Schnitt fast 100 Euro aus eigener Tasche.
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Zehntausende sind betroffen
Die Sprecherin für Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik der Linksfraktion, Jessica Tatti, hat sich mit den Mietkosten ein ziemlich heißes Eisen vorgenommen. In einer Pressemitteilung spricht sie von Zehntausenden Hartz-IV-Empfängern, die direkt oder indirekt von zu niedrigen Richtwerten für Miete und Heizung betroffen sind. Daraus resultiert eine Wohnkostenlücke, die dann über den Regelsatz finanziert werden muss. Heißt: weniger Geld in der Tasche für Lebensmittel, Strom und andere Dinge des täglichen Bedarfs.
Bürgergeld gefährdet Gesundheit – kein Geld für vollwertige Nahrung
Wohnkostenlücke beschäftigt Sozialgerichte
Mit dieser Wohnkostenlücke hat sich auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags befasst und für das Jahr 2020 ermittelt, wie oft Sozialgerichte mit rechtswidrigen Miet-Richtwerten konfrontiert waren. 24 Fälle listet die Übersicht, bei denen acht Städte und Kreise beteiligt waren und die Gerichte rechtswidrig zu niedrige Mietobergrenzen feststellten. Die Aktenzeichen stammen aus den Jahren 2014 bis 2020. In den Regionen, die einen Rüffel vom Gericht erhielten, leben zehntausende Betroffene – und eben nicht nur jene, die den Mut hatten, eine Klage einzureichen.
Enorme Einschränkungen
All diese Menschen, die damals auf Hartz IV angewiesen waren und heute Bürgergeld erhalten, hätten Anspruch auf teils deutlich höhere Leistungen gehabt.
„Eventuell hätten sie sogar die vollen Wohnkosten erhalten“,
mutmaßt Jessica Tatti. Zusätzlich sieht die Linken-Politikerin noch weitere Probleme: Viele hätten aufgrund der rechtswidrigen Werte auf einen Umzug verzichtet oder übermäßig sparsam geheizt.
Lücke von knapp fast 100 Euro
Jessica Tatti ist überzeugt:
„Diese Fälle sind nur ein kleiner Ausschnitt von rechtswidrigen Richtwerten.“
Sie befasst sich schon länger mit dem Thema Wohnkostenlücke. Bereits voriges Jahr hatte sie Zahlen präsentiert. Demnach war 2020 jede sechste Bedarfsgemeinschaft von dem Problem betroffen – in der Summe 400.000 Haushalte. Im Schnitt mussten sie 86 Euro Heizung und Miete aus dem Regelsatz mitfinanzieren. 2021 waren es dann schon 91 Euro. Familien mit Kindern kostet die Lücke 106 Euro. Um die Zahlen in Relation zu setzen: 91 Euro entsprachen 20 Prozent des damaligen Regelsatzes von 446 Euro.
Negativbeispiel Göttingen
Diese Spirale dreht sich munter weiter. Laut Erwerbslosen- und Sozialhilfeverein Tacheles hat etwa der Landkreis Göttingen die Unterkunftskosten für einen Single-Haushalt zum 1. August 2023 von 540 auf 511 Euro gesenkt. Dabei sollte inzwischen jeder mitbekommen haben, dass die Mieten unaufhaltsam steigen.
- Pressemitteilung von Jessica Tatti (die Linke), 04.09.2023
- Übersicht: Sozialgerichtliche Entscheidungen zur Rechtmäßigkeit ‚schlüssiger Konzepte‘ im Jahr 2020
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