Steigende Stromkosten und ein zu knapp bemessener Regelbedarf sorgen dafür, dass Hartz IV Empfänger zunehmend nicht mehr in der Lage sind, Strombedarf zu decken. Besonders erschreckend: Laut Urteil des Sozialgerichts Dortmund soll sogar die Prämie beim Wechsel des Stromanbieters auf Hartz IV angerechnet werden.
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Wechselprämie: Anzurechnendes Einkommen?
Viele Stromanbieter locken potentielle Kunden mit einer Prämie. Wer den Stromanbieter wechselt, darf sich in vielen Fällen über einen Bonus freuen, der entweder beim neuen Anbieter mit dem monatlichen Tarif verrechnet oder aber direkt aufs Konto des Neukunden überwiesen wird. Für Hartz IV Empfänger sind solche Angebote gerade in Anbetracht der immer größer werdenden Kluft zwischen Regelsatz und Stromkosten besonders attraktiv – aber zu früh gefreut. Laut Urteil des Sozialgerichts Dortmund wird die Wechselprämie als Einkommen auf die Grundsicherung angerechnet (Urteil v. 30.10.2019, Az.: S 32 AS 3072/19 ER), wenn sie dem Konto des Leistungsempfängers tatsächlich zugeflossen ist und nicht nur mit der Stromrechnung verrechnet wurde. Wird der Bonus direkt mit den Stromkosten verrechnet, gilt er auch nicht als anzurechnendes Einkommen.
Hartz IV Empfänger erhält 242 Euro Sofortbonus
Hintergrund des Urteils war der Fall eines Hartz IV Empfängers aus Nordrhein-Westfalen. Um Kosten zu sparen, wechselte er im Jahr 2018 den Stromanbieter. Anschließend erhielt er eine Willkommensprämie in Höhe von 242 Euro sowie einen Arbeitspreisrabatt von 2 Cent pro Kilowattstunde. Wenig später sollte der Mann bezüglich eines Aufhebungs- bzw. Erstattungsbescheides im Jobcenter vorsprechen.
Aus Sicht des Mannes könne der Bonus nicht auf seine Hartz IV Leistungen angerechnet werden, schließlich begleiche er die Stromkosten anders als die Kosten der Unterkunft vom Hartz IV Regelsatz. Das Jobcenter teilte diese Auffassung jedoch nicht. Die Behörde hob den Bewilligungsbescheid des Mannes wegen eines auf den Regelbedarf entfallenden Teilbetrags von 91 Euro auf und verlangte die Erstattung dieser Summe. Diese Entscheidung akzeptierte der Mann jedoch nicht und zog vor das Sozialgericht (SG) Dortmund.
SG Dortmund: Sofortbonus mindert ALG-II-Anspruch
Das SG Dortmund entschied im Sinne des Jobcenters. Laut Urteil des Sozialgerichts sei der Bonus als dem Leistungsempfänger zugeflossenes Einkommen auf den Regelsatz anzurechnen und führt damit zu einer Minderung des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld II. Dem Kläger stehe es jedoch frei, das Urteil vor dem Bundessozialgericht anzufechten.
Sozialgericht Dortmund – Urteil v. 30.10.2019 – Az.: S 32 AS 3072/19 ER
Bundessozialgericht Update vom 15.10.2020
Das Bundessozialgericht hat die Revision des Klägers abgelehnt. Der Strombonus ist als zugeflossenes und in der Verwendung nicht gebundenes Einkommen anzurechnen. Der Kläger erhielt den Bonus als einmalige Wechselprämie – unabhängig vom Stromverbrauch. Insofern sei die Prämie nicht auf Einsparungen beim Haushaltsverbrauch zurückzuführen und dadurch auf Hartz IV anzurechnen (BSG, Urteil v. 14.10.2020, Az.: B 4 AS 14/20 R).
Mehr dazu: BSG: Sofortbonus bei Stromanbieter-Wechsel wird auf Hartz IV angerechnet
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