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Jobcenter-Leiterin: Hartz IV Sanktionen richten enormen Schaden an

Handschellen

Dass Hartz IV und vor allem die viel diskutierten Sanktionen ein Klima der Angst verbreiten, ist inzwischen wissenschaftlich belegt (wir berichteten). Betroffene wissen das schon lange und auch den Jobcenter-Mitarbeitern ist es durchaus bewusst. Offen darüber zu sprechen, wagen die wenigsten. Eine Ausnahme ist Susanne Ahlers, die Leiterin des Bremer Jobcenters. Sie sagt in einem Interview mit dem „Weser Kurier“ über die Hartz IV Sanktionen: „Der Schaden ist größer als der Nutzen.“

Strafen verhindern Vertrauen

Die Aussagen von Frau Ahlers basieren auf ihren Erfahrungen – auch als Coach. Die Jobcenter-Leiterin würde sich freuen, wenn man die Sanktionen ad acta legt, um den Kontakt zwischen Mitarbeitern und Kunden zu erleichtern. Es könne schließlich kein Vertrauen entstehen, wenn ständig die Sorge vor Kürzungen im Raum stehe. Kurzum: „Dass die Betroffenen sich bereitwillig auf die Jobsuche einlassen und so eine Arbeitsstelle finden, bewirken Sanktionen meiner Meinung nicht.“

Der Grund dafür liegt auf der Hand.

„Unser Ziel, Menschen zu unterstützen oder sie in Arbeit zu bringen, wird nicht schneller umgesetzt, wenn die Betroffenen verängstigt oder wütend sind“,

so Susanne Ahlers. Sie bezeichnet die Sanktionen als Belastung, die schlimmstenfalls dafür sorgen, dass jüngere Hartz IV Empfänger „raus“ sind und abrutschen. Die Strafen würden ohnehin meist jene treffen, die schwächer sind und/oder psychische Probleme haben.

Keine schnellen Lösungen

Ein weiteres Argument gegen Sanktionen ist aus Sicht der Jobcenter-Leiterin, dass Menschen durch den Strafenkatalog nicht schneller in Arbeit kommen. „Es gibt Gründe, warum Menschen Langzeitleistungsbeziehende sind, da gibt es nun mal keine schnellen Lösungen“, erklärt Susanne Ahlers. Zudem wollen viele keine Fortbildung, sondern schlichtweg arbeiten. Denn: Hartz IV Empfänger seien keine Drückeberger.

Abgesehen von den Sanktionen sieht die Leiterin des Jobcenters noch weitere Baustellen. Allein in Bremen würden 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nichts anderes erledigen, als Leistungen zu prüfen. Statt individuelle Einzelleistungen zu zahlen, müsse die Pauschale angehoben werden – auch um die Jobcenter zu entlasten, damit mehr Zeit für die Beratung bleibt.

Titelbild: BortN66 / shutterstock.com