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Hartz IV: Streit um Kosten für medizinisch notwendige Kontaktlinsen

Kontaktlinse wird im Auge angebracht

Wenn zwei sich streiten, leidet der Dritte. Da weder die Krankenkasse noch das Jobcenter die Kosten für medizinisch notwendige Kontaktlinsen tragen wollten, musste eine Hartz IV Bedürftige den Klageweg beschreiten. Während das Sozialgericht Kassel ihr vollumfänglich recht gab, differenzierte das Landessozialgericht Hessen den Sachverhalt. Ergebnis: Die Hartz IV Bedürftige zahlt, das Jobcenter zahlt und die Krankenkasse wird wohl künftig zahlen müssen.

Monatliche Kosten von 66 bzw. 68 Euro

Die auf die Kontaktlinsen angewiesene Frau hatte beim Jobcenter beantragt, die monatliche Raten für das Linsen-Abo von 66 bzw. später 68 Euro als fixe und variable Kosten aus Zuzahlungen zur Krankenversicherung zu übernehmen. Das Jobcenter sah in den Kosten keinen unabweisbaren Mehrbedarf. Wenn die Krankenkasse nicht zahle, müsse der Leistungsempfänger selbst für die Kosten aufkommen.

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Das Urteil des Sozialgerichts Kassel

Der Fall landete vor dem Sozialgericht Kassel. Dort wartete man die Entscheidung der Krankenkasse ab, die den Widerspruch der Hartz IV Bedürftigen ablehnte. Gezahlt wurden 211,70 Euro für zwei Paar Kontaktlinsen.

Die Richter betonten, dass die Frau auf die Hilfsmittel angewiesen sei. Ohne Kontaktlinsen sei sie nicht in der Lage, ein Fahrzeug zu führen, und könne sich selbst gefährden. Zudem werde die Belastungsgrenze durch die Kosten überschritten. Daher verurteilte das Sozialgericht das Jobcenter, die Kosten für die Linsen zu übernehmen.

Berufung beim Landessozialgericht

Das Jobcenter ging daraufhin in Berufung. Durch das hessische Landessozialgericht wurde der komplizierte Sachverhalt noch einmal aufgegriffen. Demnach sei die Berufung zumindest in Teilen berechtigt und das Urteil des Sozialgerichts nicht haltbar.

Die Richter betonten, dass es sich um einen laufenden Bedarf handle. Beachtet werden müsse jedoch, dass die Kosten schon am 14. Juni 2016 entstanden seien und damit außerhalb des Bewilligungszeitraums vom 1. Oktober 2016 bis zum 11. Januar 2017 lagen.

Berufung teilweise unbegründet

Für die Bewilligungszeiträume 12. Januar 2017 bis 10. April 2017 und 11. April 2017 bis 30. Juni 2017 werteten die Richter die Berufung jedoch als unbegründet. Der Mehrbedarf müsse berücksichtigt werden. Es handle sich um eine medizinisch notwendige Versorgung und die Ausgaben überstiegen die im Hartz IV Regelsatz vorgesehenen Gesundheitskosten.

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Neue Sehhilfenverordnung

Berücksichtigt werden musste im Urteil zudem die zum 11. April 2017 geänderte Sehhilfenverordnung. Sie greift jedoch nur für Anträge, die ab diesem Datum gestellt wurden und betreffen somit nicht die Anträge der Hartz IV Bedürftigen aus 2015/2016.

Ein Teil der Leistungen wurde bereits vor der Gesetzesänderung beschafft. Allerdings wären aus Sicht der Richter ein Widerspruch und eine Klage gegen die Krankenkasse durchaus zumutbar gewesen. Daher gelte es für den Folgezeitraum zu prüfen, ob die Krankenkasse die Kosten tragen müsse.

Sozialgericht Kassel, Urteil vom 24.06.2019, Aktenzeichen: S 8 AS 585/17.
Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 01.12.2021, Aktenzeichen: L 6 AS 359/19.

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