Statt beim Jobcenter um Hilfe und Hartz IV zu bitten, gehen Selbstständige offenbar lieber eigene Wege, um über die Runden zu kommen. Die Corona-Pandemie hat vielen die Verdienstgrundlage genommen. Trotzdem ist die Zahl derer, die Grundsicherung beantragten, nur minimal gestiegen. Das bestätigen die Zahlen des Arbeitsministeriums, die von der Grünen-Bundestagsfraktion angefragt wurden.
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„Nur“ 12.000 Anträge
Im Januar 2020 waren in Deutschland etwa 68.000 Selbstständige Hartz IV bedürftig. Ein Jahr und einen Monat später, im Februar 2021, zählte die Bundesagentur für Arbeit 80.000 Leistungsempfänger aus dem Bereich der Gewerbetreibenden und Freiberufler. Das heißt: Lediglich 12.000 haben aufgrund der Corona-Krise Grundsicherung beantragt.
Sozialschutzpaket der Regierung
Wie gering der Anteil der neuen Hartz IV Bedürftigen aus dieser Gruppe ist, zeigt sich, wenn man sie in Relation zur Gesamtzahl der Selbstständigen setzt. Es gibt 2,2 Millionen Soloselbstständige und 1,4 Millionen Selbstständige mit Beschäftigten. Viele hatten monatelang keine Einnahmen. Deshalb wurde das Sozialschutzpaket mit gelockerten Zugangsvoraussetzungen zur Grundsicherung geschaffen.
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Keine Prüfung der Angemessenheit
Im Rahmen des Sozialschutzpakets entfiel zum Beispiel die Prüfung der Angemessenheit der Wohnung. Auch die Prüfung des Vermögens wurde eingeschränkt und die Sanktionsmaschinerie gebremst. Daran kann es also nicht gelegen haben, dass kaum Selbstständige auf die Hartz IV Regelleistungen zurückgegriffen haben.
Keine soziale Sicherung durch Hartz IV
Der Grünen-Politiker Sven Lehmann sieht eher ein grundsätzliches Problem mit der Grundsicherung in der aktuellen Form. „Hartz IV taugt nicht als soziale Sicherung in Krisenzeiten“, sagt er. Der vereinfachte Zugang zur Grundsicherung sei gut, aber nicht gut genug gewesen.
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Mangelndes Vertrauen
Hinzu komme, dass Hartz IV als Mindestsicherungs-System kein Vertrauen schaffe, sondern vielmehr abschrecke. Kurzum: „Das Ziel, auch Solo-Selbständige und Kleinunternehmende abzusichern, wurde somit verfehlt“, betont Sven Lehmann. Er sieht es als Versagen der Regierung, zumal ein unbürokratischer Unternehmerlohn abgelehnt worden sei.
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Schlechtes Gefühl
Dass Hartz IV ein schlechtes Gefühl vermittelt und hinterlässt, bestätigen Selbstständige, die aktuell von der Grundsicherung leben. Ein Zeltverleiher (wir berichteten) erklärte, er werde als Schmarotzer abgestempelt. Und eine Fotografin (wir berichteten ebenfalls) musste über Monate hinweg kämpfen, um überhaupt einen Cent zu erhalten – obwohl alles so leicht geworden sein soll.
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