Normalerweise sind es Hartz IV Empfänger, die über das System schimpfen. Jetzt hat mit Frank Neukirchen-Füsers ein Jobcenter-Chef die Keule zum Rundumschlag ausgepackt. Im Gespräch mit dem „Nordstadtblogger“ lässt er kaum ein gutes Wort an Hartz IV und Minijobs. Vor allem aber fordert er einen deutlich höheren Mindestlohn.
Hartz IV ist handwerklich schlecht gemacht
Die Kritik von Frank Neukirchen-Füsers hat Hand und Fuß. 15 Jahre war er Chef des Dortmunder Jobcenters und wechselt jetzt an die Spitze der Arbeitsagentur Bochum. Seine Erfahrung: „In 15 Jahren SGB II ist es nicht gelungen, ein einfaches Gesetz zur Existenzsicherung zu schaffen.“ Er nennt Hartz IV „handwerklich schlecht gemacht“.
Die Berechnungen empfindet der Profi als zu kompliziert. Sie sorgten vor allem für Irritation. Vorschläge, dies zu ändern, seien nie aufgegriffen worden. Deshalb ständig nur die Jobcenter und die Mitarbeiter dort zu kritisieren, ist für ihn ein echtes Ärgernis. Denn die Probleme ergäben sich aus den Hartz IV Gesetzen und lägen nicht aufseiten der Jobcenter-Beschäftigten.
Kein Ende von Hartz IV
Gleichwohl lehnt Neukirchen-Füsers ein Ende von Hartz IV ab. Es habe noch nie „so viel Geld für die Arbeitsmarktpolitik und so viel Unterstützung wie heute“ gegeben. Zudem seien in den vergangenen Jahren massiv Veränderungen vorgenommen worden. Früher habe die Vermittlung im Vordergrund gestanden. Heute lägen die Herausforderungen woanders. Es gehe vor allem um die Unterstützung zur Lösung gesundheitlicher, finanzieller und persönlicher Probleme. Denn, weiß auch der Jobcenter-Chef: Arbeitslosigkeit macht krank.
Eine weitere Baustelle: der Mindestlohn. Viele könnten sich und ihre Familie nicht allein finanzieren, weil der Mindestlohn zu gering ist. „Wir brauchen mindestens 12 Euro“, sagt Frank Neukirchen-Füsers. Hinzu komme die Zeitarbeit als einer der Faktoren, warum viele langfristig hilfsbedürftig sind. Gleiches gelte für Minijobs. Sie „vernichten sozialversicherungspflichtige Beschäftigung“ und setzten falsche Anreize. Menschen müssten von ihrer Arbeit leben können. Das bedürfe grundlegender Änderungen: „Ich glaube, dass unser System nicht geeignet ist, den Kreislauf zwischen Armut, Bildungsarmut und wieder Armut in der nächsten Generation aufzubrechen.“
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