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Hartz IV durch die rosarote Brille

Hartz IV Broschüre des Jobcenter Pinneberg

Als Ratgeber zu Hartz IV hat sich das Jobcenter Pinneberg ein besonderes Meisterstück ausgedacht. Um die ganze Thematik aufzulockern, ist der gesamte Ratgeber als Geschichte in einem Comic verfasst, mit bunten Bildern und strahlenden Gesichtern. Würde man es nicht anders wissen, könnte man die Broschüre für eine rührende Geschichte halten und denken, Hartz IV sei das Paradies auf Erden – weit gefehlt!

Worum geht es in der „Geschichte“? Der Ratgeber handelt von der vierköpfigen Familie Fischer (Vater Knut, Mutter Sylvia und die Kinder Ben und Lara). Nachdem Knut arbeitslos wird, muss sich die Familie mit Hartz IV befassen. Anhand der Familie gibt die Broschüre Tipps für Hartz IV Bezieher.  Dabei wird um die Familie herum eine Geschichte erzählt und die Tipps in Dialogen in der Familie selbst oder mit Freunden oder anderen Beteiligten gegeben.

Aufgrund der bisherigen Wohnung und des Hartz IV Bezuges muss die Familie auch einen Umzug vornehmen. Aber auch diesen meistern sie spielend und mit glücklichen Gesichtern.

Insgesamt wird die Geschichte über „über Hartz IV“ erzählt, wie man sie sonst wohl nur in einem Kinderbuch finden würde und hat natürlich ein Happy End. Denn nach der ganzen Prozedur um die Sozialleistungen findet Vater Knut am Ende wieder einen Job.

Seit sechs Wochen ist die Firma Metallverarbeitungs GmbH Knuts neuer Arbeitgeber. Nachdem Knut das Bewerbungstraining und die SAP-Schulung absolviert hat, hat er sogar noch eine weitere Zusage erhalten. Was sicher auch an seinem neuen Anzug liegt, denn er sieht darin einfach verdammt gut aus.  heißt es am Ende, wenn sich Sylvia und Knut an einem „milden Maiabend“ im Garten unterhalten.

Was lernen wir aus der Broschüre?

u.a. bietet die Broschüre des Jobcenter folgende Tipps:

  • alte Möbel verkaufen (da Erlöse aus Haushaltsgegenständen nicht angerechnet werden)
  • Leitungswasser zu trinken anstatt Getränke zu kaufen (bezogen auf die hervorragende Qualität des Leitungswassers)
  • Steine in den Spülkasten zu legen, um Wasser zu sparen
  • Duschen statt ein Vollbad zu nehmen (um Wasser zu sparen)

Hier mal ein Auszug eines Dialogs aus der Broschüre

Als Sylvia ein Sechserpack Selter in den Einkaufswagen hieven will, hält Martina sie
zurück. „Wusstest du eigentlich, dass Leitungswasser oft eine bessere Qualität hat als Mineralwasser.“
„Aber es schmeckt nicht so gut.“
„Vielleicht müsst ihr euch nur daran gewöhnen. Bei Getränken könntet ihr eine Menge sparen.“
„Ben trinkt nichts außer Cola“, erwidert Sylvia skeptisch.
„Jetzt wohl schon!“ erwidert Lara und grinst.

Die gesamte Broschüre umfasst 112 Seiten und kann hier als PDF eingesehen werden.

In seinem Twitter-Account lobt BA-Vorstand Heinricht alt die Broschüre. „Jobcenter Pinneberg hat einen tollen ALG2-Ratgeber herausgegeben“. Allerdings sorgt diese bei den meisten Lesern für Unmut, da die Broschüre auch den Anschein erweckt, Hartz IV Bezieher nicht wirklich ernst zu nehmen.  Eine Facebook-Nutzerin schrehibt:“Das ist ja widerwärtig. So viel rosarote Augenwischerei kommt ja nicht mal bei Barbie vor.“

Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband findet ganz andere Worte als der BA-Vorstand. Seiner Ansicht nach sollte die Broschüre „eingestampft“ werden, anstatt sie bei Twitter zu loben. Er fordert, dass Hartz IV Empfänger ernst genommen werden. „Nach dem Motto: Hans im Glück und Hartz IV ist deine Chance, nutze sie“, zeigt das Comic eine Familie, die in den Strudel von Hartz IV gerät, ihre Sachen verkaufen und aus der bisherigen Wohnung ausziehen muss und dabei trotzdem fröhlich wirkt.  „Das ist der peinlichste ALG2-Ratgeber, der mir bisher in die Finger gekommen ist“, so der Hauptgeschäftsführer des Verbandes.

Was schreibt das Jobcenter Pinneberg zur neuen Broschüre?

„Ratgeber Arbeitslosengeld II leicht verständlich“

Das Jobcenter Kreis Pinneberg veröffentlicht heute seinen Ratgeber „Arbeitslosengeld II“ und geht damit neue Wege. In einer rd. 100 Seiten starken Broschüre wird anhand der fiktiven Geschichte einer vierköpfigen Familie, die Arbeitslosengeld II beantragen muss, das komplette Leistungsspektrum des Jobcenters dargestellt.

„Mit diesem Ratgeber wollen wir die komplizierte Materie „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ für unsere Kunden verständlicher machen und Zusammenhänge aufzeigen. Formulare und Paragraphen sind häufig schwierig zu verstehen. Deshalb haben wir uns entschieden, die unterschiedlichen Informationen zu bündeln, in eine einfache Sprache zu übersetzen und in einem Mix mit Comic-ähnlichen Bildern aufzulockern, so Gerold Mellem, Geschäftsführer des Jobcenters Kreis Pinneberg. „Die Schwierigkeit bestand darin, typisches Behörden-Deutsch so umgangssprachlich wie nur möglich umzuformulieren, ohne das es falsch wird.“

Der Ratgeber beginnt mit der Antragstellung. Dabei werden auch die einzelnen Stationen im Jobcenter näher vorgestellt. Der nicht einfach zu verstehende Bewilligungsbescheid wird genauso wie viele Begriffe und Details aus dem Sozialgesetzbuch II (SGB II) ausführlich erklärt. Dazu kommen einzelne Kapitel zu verschiedensten Themen, wie zum Beispiel zu den Kosten der Unterkunft und Heizung, zum Bildungspaket und vieles mehr.

Darüber hinaus wird ausführlich rund um das Thema Bewerbungen mit Beispielen und wertvollen Tipps informiert. Eine Übersicht der Kontaktdaten von Beratungs- und Anlaufstellen im Kreisgebiet bei Problemlagen runden das Angebot ab.

Mit diesem neuen Ratgeber kann sich jeder Kunde umfassend über das Jobcenter und seine Rechte und Pflichten informieren. „Und falls der Kunde doch noch etwas nicht versteht, sollte er uns direkt darauf ansprechen“, so Mellem weiter.

Der Ratgeber ist nicht nur in den Kundenportalen bzw. Eingangszonen des Jobcenters kostenlos erhältlich sondern kann auch hier heruntergeladen werden.

https://www.jobcenter-kreis-pinneberg.de/index.php/service/aktuelles/

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