Der vereinfachte Zugang zu Hartz IV Leistungen soll sowohl Jobcenter als auch Hartz IV Bedürftige in der Corona-Krise entlasten. Wie ein Leistungsempfänger aus Niedersachen nun erfahren musste, gelten diese Regelungen jedoch nicht ohne Einschränkungen.
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Vereinfachter Zugang zu Hartz IV durch Sozialschutzpaket
Anfang des Jahres führte der Gesetzgeber über das Sozialschutzpaket I den vereinfachten Zugang zu Hartz IV Leistungen ein. Die Hilfsmaßnahmen sollten dazu beitragen, die Auswirkungen der Corona-Krise für Hartz IV abzufedern. Inhalte des Sozialschutzpakets waren vor allem
- der Wegfall der Vermögensprüfung,
- die Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und
- die automatische Weiterbewilligung von Hartz IV Leistungen.
Wie das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen nun jedoch entschied, gelten die Maßnahmen des Sozialschutzpakets nicht uneingeschränkt (Urteil v. 22.09.2020, Az.: L 11 AS 415/20 B ER).
Dazu: Corona-Krise: Koalition verlängert vereinfachten Zugang zu Hartz IV
Mietkaufvertrag: Jobcenter zahlte Kaufraten als KdU
Hintergrund des Beschlusses war der Fall eines Hartz IV Empfängers aus dem Landkreis Uelzen. Der Mann befand sich bereits seit 2013 im Leistungsbezug und lebte mit seiner Ehefrau seit 2012 in einem Haus, für das er einen Mietkaufvertrag abgeschlossen hatte. Bei einem solchen Mietkaufvertrag wird dem Mieter das Recht eingeräumt, dass die Immobilie nach Ablauf einer bestimmten Frist in sein Eigentum übergeht. Die monatlichen Mietzahlungen dienen dabei dementsprechend der Finanzierung des vorher vertraglich vereinbarten Kaufpreises.
Obwohl es sich bei den vertraglichen monatlichen Zahlungen also um Kaufpreisraten handelte, berücksichtigte sie das Jobcenter unwissentlich als Mietzahlungen im Rahmen der Kosten der Unterkunft (KdU).
Jobcenter verweigert Weiterbewilligung wegen Mietkauf
Als das Jobcenter den Mann dieses Jahr aufforderte, ergänzende Angaben zu einen wirtschaftlichen Verhältnissen zu machen, flog der Fehler auf. Das Jobcenter realisierte, dass es sich bei dem betreffenden Wohnraum um einen Mietkauf handelte und nahm die Weiterbewilligung der Hartz IV Leistungen ab März 2020 wegen „nicht ausreichend nachgewiesener Hilfebedürftigkeit“ zurück. Der Mann wollte die Entscheidung des Jobcenters jedoch so nicht akzeptieren, schließlich seien Hartz IV Leistungen angesichts der Corona-Krise unter Annahme unveränderter Verhältnisse für 12 Monate weiter zu bewilligen. Also zog er in zweiter Instanz vor das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen.
LSG: Jobcenter muss Mietkauf nicht finanzieren
Das Gericht erklärte die Entscheidung des Jobcenters für rechtens. Die ursprüngliche Leistungsbewilligung sei fehlerhaft, da das Jobcenter nur Mietkosten übernehme und keine Kaufraten im Rahmen eines Mietkaufvertrages. Die Zahlungen des Jobcenters würden so zu einer Vermögensbildung über Eigentum führen, die grundsätzlich nicht vom Jobcenter gewährt wird.
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Der Mann habe sich zudem zu Unrecht auf die automatische Weiterbewilligung von Hartz IV Leistungen gemäß § 67 Abs. 5 S. 3 SGB II berufen. Die Vorschrift des Sozialschutzpakets führe keineswegs dazu, dass Jobcenter „sehenden Auges“ Leistungen zu Unrecht weitergewähren müssten.
Verfahrensgang:
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 22.09.2020, Az.: L 11 AS 415/20 B ER
Sozialgericht Lüneburg, Urteil v. 17.07.2020, Az.: S 21 AS 90/20 ER
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