Endstation Hartz IV: 132.000 Selbstständige haben infolge der Corona-Pandemie von April 2020 bis Juni 2021 Grundsicherung beantragen müssen. Die Daten der Bundesagentur für Arbeit spiegeln aus Sicht vieler Experten ein eklatantes Versagen der Regierung wider. Hilfen kamen entweder zu später oder waren so konstruiert, dass insbesondere Soloselbstständige durchs Raster fielen.
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In der Krise alleingelassen
Eine bislang noch nicht veröffentliche Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), aus der die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ zitiert, hat sich mit den Auswirkungen der Krise auf Selbstständige befasst. Viele hätten sich alleingelassen und nur unzureichend unterstützt gefühlt, so der Tenor.
Massenweise Hartz IV Anträge: Jobcenter in Corona-Krise überfordert
Ein Viertel hat hingeschmissen
Die Zahlen: 74 Prozent haben im Jahr 2020 durchgehalten. Ein Viertel hat das Handtuch geworfen. Elf Prozent arbeiten jetzt sozialversicherungspflichtig. 15 Prozent haben (noch) keinen Job und sind in der Regel auf Hartz IV angewiesen. Davon sind Frauen deutlich öfter betroffen, weil sie in Branchen arbeiten, die Corona besonders hart getroffen hat.
Nicht konsequent geholfen
Dass jetzt 132.000 ehemalige Selbstständige Hartz IV bedürftig sind, hat sicherlich mehrere Gründe. Einer davon, so die DIW-Forscher: Die Regierung habe Selbstständigen in der Krise nicht konsequent genug geholfen. Das gelte vor allem für Soloselbständige, die kaum von der Soforthilfe profitierten, da das Geld ausschließlich für laufende Fixkosten gedacht war.
Verfehlte Corona-Politik treibt Menschen in Hartz IV
Hilfen nicht systematisch
Die Neustarthilfe in Höhe von einmalig 7.500 Euro sei viel zu spät beschlossen worden, meint Alexander Kritikos vom DIW. „Die Regierung hätte früher, schneller und verbindlicher helfen müssen“, betont er. In die gleiche Richtung zielt die Kritik des ehemaligen Vorsitzenden des Sachverständigenrates, Lars Feld. Er bezeichnet die Hilfen als „nicht systematisch“.
Boden unter den Füßen weggerissen
Die Folgen der Pandemie bekamen und bekommen vor allem Kleinselbständige zu spüren, die nicht unbedingt zu den Großverdienern zählen. Ihnen wurde, so ein kritischer Beitrag des Bayerischen Rundfunks, „der Boden unter den Füßen weggerissen“. Für sie käme mit Hartz IV jetzt die bittere Erkenntnis.
Hartz IV: Schuldnerberatung rechnet mit großer Nachfrage
Hartz IV statt Honorar
Ein Beispiel von vielen, das jetzt in einer ARD-Dokumentation gezeigt wurde: Einer Fotografin brachen aufgrund von Corona immer mehr Aufträge weg. Irgendwann blieb nur der Antrag auf Hartz IV. Die Grundsicherung reicht aber nicht, um alte Verbindlichkeiten zu bezahlen. Daher folgt mit Hartz IV demnächst auch die Privatinsolvenz. Ein Schicksal, das laut Schuldnerberatern immer mehr Familien droht.
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