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8-Jähriger soll mit 3.250 Euro für Bürgergeld Fehler der Mutter haften

Junges Kind legt beide Hände auf Spardose

Rechnungen sind nie angenehm. Wenn sie aber an einen 8-Jährigen gerichtet sind, auf 3.250,11 Euro lauten und vom Hauptzollamt stammen, das den Betrag für das Jobcenter eintreiben soll, ist das besonders ärgerlich. Es handelt sich um einen extremen Fall von Minderjährigenhaftung. Heißt: Wenn die Bundesagentur für Arbeit ihren Anspruch auf Erstattung von Grundsicherungsleistungen nicht bei den Eltern geltend machen kann, müssen die Kinder ran – und starten dadurch gleich mit Schulden ins Leben.

Jobcenter fordert Geld vom Sohn

Der Hilferuf eines Vaters, der einen solchen Brief des Hauptzollamtes für seinen Sohn im Briefkasten fand, hat Punkt 12 Reporterin Wiebke Wittneben hellhörig werden lassen. Denn der Mann wusste gar nicht, worum es überhaupt geht. Auch die Antwort des Hauptzollamtes half nicht weiter: Die Forderung sei richtig und man wisse um das Alter des Kindes. Das Jobcenter selbst gab mit Hinweis auf den Datenschutz keine Antwort auf die Fragen.

Mutter hat zu viel Hartz IV in Anspruch genommen

Später stellte sich heraus: Die Mutter hatte zu viele Sozialleistungen in Anspruch genommen und es schlichtweg unterlassen, dem Jobcenter mitzuteilen, dass der Vater für den Sohn Unterhalt zahlt und der Junge seit dem siebten Lebensjahr beim Vater lebt. Da die Mutter das zu viel gezahlte Hartz IV und jetzt Bürgergeld nicht erstatten kann, wendet sich das Jobcenter an den Sohn. Das ist die sogenannte Minderjährigenhaftung. Sobald der Junge volljährig ist, muss er zahlen.

Blödes Konstrukt

Rechtspflegerin Astrid Leonhardt, die zuvor als stellvertretende Jugendamtsleiterin gearbeitet hat, bezeichnet den Fall gegenüber der Reporterin als ein „ganz blödes Konstrukt“. Sie selbst habe so etwas noch nie erlebt. Entzerren ließe sich das Problem nur, wenn die Mutter ihrerseits auf das Jobcenter zugehe. Doch das scheint eher unwahrscheinlich.

Das Jobcenter reagiert auf Nachfragen des Senders eher nüchtern:

„Der von Ihnen angesprochene Vorgang ist faktisch korrekt. […] Hier errechnete sich aufgrund der Unterhaltszahlungen eine Überzahlung des Jobcenters gegenüber dem Kind.“

Die Minderjährigenhaftung

Dass Jobcenter und Hauptzollamt sich an Recht und Gesetz halten, bestätigt auch der Anwalt für Familienrecht, Oliver Stigler. Zwar heiße es immer wieder, Eltern haften für ihre Kinder, doch auch Kinder müssten für die Eltern haften. Ein solcher Fall liege hier vor. Allerdings gebe es auch eine Minderjährigen-Enthaftung. Heißt: Die Haftung beschränkt sich auf das Vermögen des Jungen zu dem Zeitpunkt, wenn er volljährig wird. Das ergibt sich aus § 1629a BGB (Beschränkung der Minderjährigenhaftung).

BSG: Kinder haften nicht für Hartz IV Schulden der Eltern

Neuregelung mit Einführung des Bürgergelds

Mit Einführung des Bürgergelds wurde die Minderjährigenhaftung noch einmal überarbeitet. In § 40 Abs. 9 SGB II (Anwendung von Verfahrensvorschriften) heißt es dazu:

„§ 1629a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt mit der Maßgabe, dass sich die Haftung eines Kindes auf das Vermögen beschränkt, das bei Eintritt der Volljährigkeit den Betrag von 15 000 Euro übersteigt.“

Das Ärgerliche: Darauf machen weder das Jobcenter noch das Hauptzollamt aufmerksam und lassen Betroffene mit ihrer Existenzangst völlig allein.

Bild: Ollyy/ shutterstock.com