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Armut und soziale Ausgrenzung bedrohen jeden Fünften

Hände zusammengelegt als Symbol für Bedürftigkeit und Armut

„Das kann mir nicht passieren!“ Bürgergeld beantragen zu müssen, arm zu sein und sozial ausgegrenzt zu werden: Viele unterschätzen, wie schnell man sich in dieser Situation wiederfindet. Voriges Jahr galt das bereits für 17,3 Millionen Menschen in Deutschland. Um die Dimension der Armut hierzulande zu verdeutlichen: Sie betrifft inzwischen jeden Fünften. Das geht aus den jüngsten Daten des Statistischen Bundesamtes hervor.

Wer ist betroffen?

Ob jemand von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht ist, richtet sich in der Europäischen Union nach drei Kriterien. Ist mindestens eine dieser Bedingungen erfüllt, steht man bereits auf der Schattenseite des Lebens:

  • Das Einkommen bewegt sich unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze.
  • Der Haushalt ist von „erheblicher materieller und sozialer Entbehrung betroffen“.
  • Es handelt sich um einen Haushalt mit sehr geringer Erwerbsbeteiligung.

Bürgergeld bietet weniger Kaufkraft als Hartz IV

Zu geringes Einkommen

Mit Blick auf das Einkommen gilt man armutsgefährdet, wenn das Gehalt weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung ausmacht. Für einen Single galt dies 2022 bei einem Betrag von 1.250 Euro netto – also nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben. Bei einem Paar mit zwei Kindern betrug der Schwellenwert 2.625 Euro. Separiert man nur diesen Faktor, waren im vorigen Jahr 14,7 Prozent aller Deutschen armutsgefährdet.

Zum Vergleich eine Auswertung der Zahlungsansprüche von Hartz IV Bedürftigen in 2022 (ab 2023 Bürgergeld). Im Schnitt hatten Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaften einen Zahlungsanspruch an das Jobcenter in Höhe von 867 Euro monatlich. Bei Partner-Bedarfsgemeinschaften mit Kindern waren es im Schnitt 1.768 Euro monatlich in 2022. Hierbei muss man noch berücksichtigen, dass sich diese Beträge nach Anrechnung des Einkommens sowie Kindergeld etc. ergeben.

Zum 01.01.2023 wurde Hartz IV in Bürgergeld umbenannt und der Regelsatz in der Regelbedarfsstufe 1 wurde von 449 Euro auf 502 Euro angehoben. Hierdurch erhöhten sich auch die Zahlbeträge im Januar 2023 beim Bürgergeld bei einer Single-Bedarfsgemeinschaften auf 941 Euro sowie bei Partnern mit Kindern auf 1.968 Euro.

Auch Aufstocker werden als faul tituliert

Angesichts dieser Zahlen darf man sich nicht wundern, warum immer mehr Menschen trotz Arbeit auf Bürgergeld angewiesen sind – sog. Aufstocker. Sie müssen aufstocken, weil der Lohn nicht reicht, den Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten. Nach aktuellen Statistiken der Bundesagentur für Arbeit lag für 2022 die durchschnittliche Aufstocker-Quote bei 21,86 Prozent – in Zahlen: im monatlichen Schnitt gingen 812.828 der 3.717.892 erwerbsfähigen Hilfebedürftigen einer Erwerbstätigkeit nach.

Und da man Bürgergeld Bedürftige gerne über einen Kamm schert, werden auch sie regelmäßig als faul, dumm und sozialschmarotzend dargestellt.

Reichen 725 Euro Bürgergeld?

Materielle Entbehrung

Geht es um „erhebliche materielle und soziale Entbehrung“, so betraf dieser Aspekt 6,1 Prozent der Bevölkerung (6,1 Millionen Menschen). Zur Erklärung: Als Entbehrung gilt zum Beispiel, dass ein einwöchiger Urlaub bereits außerhalb der finanziellen Möglichkeiten liegt, man die Miete sowie Versorgungsleistungen nicht bezahlen kann oder nicht in der Lage ist, einmal im Monat mit Freunden oder Familie essen oder trinken zu gehen.

Niedrige Erwerbsbeteiligung

Der Punkt „niedrige Erwerbsbeteiligung“ erklärt sich weitgehend von selbst. Die Mitglieder betroffener Haushalte sind wenig oder gar nicht in den Arbeitsmarkt eingebunden. Konkret muss die Erwerbsbeteiligung der erwerbsfähigen Haushaltsmitglieder bei unter 20 Prozent liegen. Im Jahr 2022 galt dies für 9,7 Prozent der Bevölkerung unter 65 Jahren (6,1 Millionen Menschen).

Bürgergeld Bedürftige sind offiziell arm

Hierunter fallen dann auch viele Bürgergeld Bedürftige. Sie sind somit laut Aussagen des Statistischen Bundesamtes ganz offiziell von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Eine Tatsache, die viele nur allzu gerne leugnen – auch seitens der Politik.

Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 16.05.2023

Bild: Bits And Splits/ shutterstock.com