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Gericht: Stadt gewährte Hartz IV Bedürftigen teils zu hohe Unterkunftskosten

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Wenn eine Stadt Zuschläge zu den Unterkunftskosten einräumt, um zu vermeiden, dass Bürgergeld-Bedürftige aus bestimmten Stadtteilen verdrängt werden, ist dies nicht zulässig. Ein solches Vorgehen – wie in diesem Fall der Stadt Bremen – entspreche nicht den höchstrichterlichen Anforderungen, erklärte jetzt das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen. Mit dieser Begründung wurde die Klage eines Mannes abgelehnt, dessen Mietkosten vom Jobcenter als zu hoch eingestuft worden waren (Urteil vom 30. August 2022, Aktenzeichen L 15 AS 106/20).

Unangemessene Unterkunft

Das Problem kennen viele Bürgergeld Bedürftige, die bereits bis 2022 auf Hartz IV Leistungen angewiesen waren und mit dem Jobcenter Ärger wegen der Unterkunftskosten hatten. Ist die Wohnung zu teuer, meldet sich das Jobcenter mit einer Kostensenkungsaufforderung. Dann haben Betroffene sechs Monate Zeit, eine günstigere Unterkunft zu finden oder sind gezwungen, die höheren Kosten selbst zu schultern.

Die Klage

So ging es auch einem 1960 geborenen Mann. Seit 1989 lebt er in einer 88 Quadratmeter großen Wohnung in der Bremer Neustadt. 610 Euro gehen Monat für Monat an den Vermieter. Zu viel, sagte das Jobcenter und führte mehrere Gespräche mit dem Mann, der allerdings keine Möglichkeit sah, die Kosten zu senken. Daher wurden nur noch 523,25 Euro, später 542 Euro bewilligt – die Differenz musste aus dem Regelbedarf bestritten werden. Dagegen klagte der Mann.

Nicht rechtens: Zuschläge für Stadtteile

Und er scheiterte. Zunächst vor dem Sozialgericht Bremen (Aktenzeichen S 18 AS 560/18) und dann auch vor dem LSG Niedersachsen-Bremen. Aber es kam noch dicker. Dabei haben sich die Richter am LSG auch gleich mit der Methodik befasst, anhand der in Bremen die Mietobergrenzen bestimmt werden. Sie beruhen auf einem Fachgutachten zum Mietwohnungsmarkt und sehen für einzelne Stadtteile Zuschläge zwischen zehn und 25 Prozent vor. Dazu zitierte der Kläger die Sozialsenatorin. Sie habe erklärt, niemand werde gezwungen, umzuziehen.

Bürgergeld Unterkunft und Heizung

Bremens Konzept ist nicht schlüssig

Das LSG wertete das Konzept in Bremen als nicht schlüssig. Es führe zu Werten, „die tendenziell oberhalb der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten liegen“. Dieser Fehler wirke sich auch auf die durch die Fortschreibung ermittelten Werte aus. Das nicht schlüssige Konzept komme dem Kläger bereits zugute und könne daher nicht zu noch höheren Leistungen führen.

Menschenwürdiges Existenzminimum

Grundsätzlich gelte, dass der „unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch“ sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nur auf die Gewährleistungen eines menschenwürdigen Existenzminimums erstrecke. Bei der Anerkennung des anzuerkennenden Bedarfs für die Unterkunft müsse daher von den tatsächlichen Kosten ausgegangen werden. Seien die Aufwendungen zu hoch, müsse ein Kostensenkungsverfahren durchgeführt werden.

Was ist angemessen?

Die Angemessenheit sei in einem mehrstufigen Verfahren zu ermitteln. Zunächst müsse die abstrakt angemessene Größe und der Wohnungsstandard bestimmt werden. Die Unterkunft müsse einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen und keinen gehobenen Wohnstandard aufweisen. Mit Schritt zwei werde der räumliche Vergleichsmaßstab festgelegt, um dann zu bestimmen, wie viel für diese Wohnung aufzuwenden sei.

Wohnungsmarkt nicht realitätsgerecht abgebildet

Das Konzept in Bremen habe diesen Vorgaben nicht entsprochen. Mehr noch: Die Stadtteilzuschläge für zehn von 23 Stadtteilen seien weder dem Grunde noch der Höhe nach nachvollziehbar. Auch Bestandsmieten seien nicht berücksichtigt worden, was „Zweifel an der realitätsgerechten Abbildung des Wohnungsmarktes aufkommen lässt“.

Hartz IV Bedürftige werden systematisch aus ihren Heimatorten verdrängt

Ghettobildung vermeiden

Dem möglichen Vorwurf einer Ghettobildung setzte das LSG entgegen, dass zwar Mieten für einfache Wohnungen für die Referenzmiete herangezogen werden müssten, aber nicht einzelne,

„besonders heruntergekommene und daher billige Stadtteile herausgegriffen werden dürfen“.

Stattdessen werde auf Durchschnittswerte aus dem gesamten Stadtgebiet zurückgegriffen.

Übersehen wird dabei allerdings, dass günstige Wohnungen, die für Bürgergeld Bedürftige als angemessen gelten, oft nur in bestimmten Stadtteilen vorhanden sind. Damit ist Ghettobildung vorprogrammiert. Die Bemühungen Bremens, dem entgegenzuwirken, hat das LSG die „Rote Karte“ gezeigt und Betroffene damit weiter ins Abseits gedrängt.

Bild: Ralf Gosch/ shutterstock.com

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