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Inflation bricht Bürgergeld-Empfängern das Genick

Ältere Frau stützt sich bestürzt über Inflation am Einkaufswagen ab

Die Bilanz nach einem Vierteljahr Bürgergeld: durchwachsen. Die Befürchtungen, dass die Fortschreibung der Regelsätze des einstigen Hartz IV nicht ausreichen würde, um die Inflation aufzufangen, haben sich bewahrheitet. Für die Unkenrufe, aufgrund des Bürgergelds würden viele ihren Job hinschmeißen, gibt es indes keinerlei Bestätigung. Was bleibt, ist die traurige Erkenntnis: Die Teuerung macht Betroffene noch ärmer und von einer fairen Berechnung ist man weit entfernt.

Keine soziale Teilhabe

Für einen ungeschönten Blick auf drei Monate Bürgergeld hat Stefanie Unbehauen vom Evangelischen Pressedienst (epd) mit Betroffenen, Sozialverbänden und Wissenschaftlern gesprochen.

„Ich kann mir soziale und politische Teilhabe schon lange nicht mehr leisten“,

erklärte ihr ein Langzeitarbeitsloser aus Köln. Nach einer Ausbildung zum Bäcker und Konditor und mehreren Jahren in einem Logistikbetrieb machten ihm inzwischen Rückenprobleme zu schaffen. Ohne Rollator gehe nichts mehr.

Mangelnde Teilhabe beim Bürgergeld gleicht dem Verlust der Menschenrechte

Keine nennenswerte Verbesserung

Eine nennenswerte Verbesserung habe die Sozialreform von Hartz IV zum Bürgergeld für ihn nicht gebracht. Das sagt auch Anni W. Sie lebt mit ihren zwei Kindern am Niederrhein, leidet an Depressionen und fortgeschrittener Arthrose. Die Angst vor den steigenden Kosten – und sei es nur für einen kaputten Füller – mache mürbe.

„Die Lebensmittel- und Stromkosten brechen uns das Genick“,

sagt sie.

Hinzuverdienstmöglichkeiten überdenken

Hier sei die Politik gefragt, betont Christian Merkl, Wirtschaftsprofessor an der Universität Erlangen-Nürnberg. Es gelte, neue Instrumente zu erproben – gerade im Hinblick auf die Hinzuverdienstmöglichkeiten. Aktuell lohnten sich beim Bürgergeld vor allem Tätigkeiten mit geringem Hinzuverdient. Sinnvoller und wünschenswert wäre es, die Aufnahme von Vollzeitbeschäftigung attraktiver zu gestalten, um dadurch Brücken aus dem Bürgergeld zu bauen.

Anreiz zur Arbeit ist nicht gesunken

Dass der Regelbedarf für einen alleinstehenden Erwachsenen zum Jahreswechsel um 53 Euro von 449 auf 502 Euro angehoben wurde, sei richtig gewesen. Diese Erhöhung habe, anders als vielfach angenommen, die Anreize zur Arbeit nicht gemindert.

Bürgergeld mit diesen Tricks kleingerechnet – 725 Euro plus Strom anstatt 502 Euro

Vermittlungshemmnisse reduzieren

Woran es bei Bürgergeld-Betroffenen hapere, seien vielmehr Vermittlungshemmnisse. In dem Zusammenhang nennt Christian Merkl gesundheitliche Probleme und die Kinderbetreuung. Gefragt seien kreative Ansätze, um die

„Hemmnisse zu reduzieren und damit in Zeiten der Arbeitskräfteknappheit mehr Beschäftigungspotenzial zu schaffen“.

Bürgergeld geht an Lebenswirklichkeit vorbei

Die Einschätzung der Sozialverbände zum Bürgergeld ist hinlänglich bekannt und war schon vor der Umsetzung der laut Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) größten Sozialreform seit 20 Jahren mehr als kritisch.

Verfassungswidrig: Sozialverbände klagen gegen zu geringen Hartz IV Regelsatz

Das beweist die Aussage des Hauptgeschäftsführers des Paritätischen Gesamtverbandes, Dr. Ulrich Schneider:

Ob nun Bürgergeld oder Hartz IV, an der Berechnungsmethode habe sich nichts geändert. Die Leistungen blieben kleingerechnet, reichten vorn und hinten nicht und „gehen an der Lebensrealität der Menschen vorbei“.

Bild: Robert Kneschke/ shutterstock.com