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Herablassend: Taschengeld für Bürgergeld-Empfänger

Hand hält Euro und Cent-Münzen Kleingeld

Ein nie endender Kampf um Respekt. Bürgergeld-Empfänger stehen ständig im Ring. Breitseiten kommen vor allem von rechts und inzwischen immer öfter aus der Mitte, und dann voll auf die Zwölf. Die jüngsten Kommentare zu den Themen Tafeln, Armut und soziale Gerechtigkeit zeigen, wo wir aktuell stehen: am Scheideweg von einer sozialen hin zur egozentrischen Gesellschaft.

Geld fürs Nichtstun

Die Tatsache, dass Menschen mit den Bürgergeld-Regelsätzen nicht mehr über die Runden kommen und auf die Hilfe der Tafeln angewiesen sind, ist für viele offenbar nicht nachvollziehbar.

„500 Euro Taschengeld fürs Nichtstun und IHR beschwert euch noch?“,

regt sich ein User auf Facebook auf. Nur fürs Protokoll: Es sind sogar 502 Euro Regelsatz für einen alleinstehenden Erwachsenen.

Betroffene werden mit Kindern verglichen

Und nein: Das Bürgergeld ist kein Taschengeld. Der Begriff erinnert an Kiosk und Kinder, die stolz eine bunte Tüte für ein paar Cent kaufen oder ein Päckchen Fußballbilder. Taschengeld zahlt man in der Regel nur unmündigen Minderjährigen. Wer Bürgergeld-Empfänger damit auf eine Stufe stellt, könnte herablassender nicht sein.

Papa Heil schmiert die Stulle

Aber es ist ja so einfach: Der Staat steckt Betroffenen Klimpergeld zu und bezahlt den ganzen Rest. Nein! Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) schmiert armutsbetroffenen Kindern kein Butterbrot und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) kommt nicht für die Stromrechnung auf. Die 502 Euro sind kein Taschengeld, das man nach Gutdünken verplempern kann. Es ist das Existenzminimum, mit dem man Nahrung, Kleidung, Strom, Möbel, Telefon und Co. bezahlen muss.

Bürgergeld: Inflation trifft Armutsbetroffene besonders hart

Die Würde des und der Einzelnen achten

Wenn die Teuerung gerade bei Lebensmitteln gnadenlos zuschlägt und man keine Rücklagen mehr hat: Dann ist das ein enormer Druck und ein täglicher Kampf. Dann kann man nicht mal eben zu Papa Heil und Onkel Lindner laufen und um einen Vorschuss bitten. Dann steht man bei der Tafel Schlange. Und das, obwohl im Koalitionsvertrag steht:

„Das Bürgergeld soll die Würde des und der Einzelnen achten.“ Es soll auch zur „gesellschaftlichen Teilhabe befähigen“.

Doch davon ist schon lange keine Rede mehr.

Mindestsicherungssysteme

Auch im Regierungsentwurf zum Bürgergeld wird explizit auf die dynamische Preisentwicklung bei Nahrungsmitteln und Energie verwiesen. „Aufgabe des Sozialstaats ist, die Menschen in dieser Lage zu unterstützen und dafür Sorge zu tragen, dass die Leistungen der Mindestsicherungssysteme auch in dieser Situation auskömmlich sind“, ist dort zu lesen.

Der linke „Müll“ von Gewerkschaften und Co.

Das Bürgergeld ist aber nicht mehr auskömmlich. Darauf machen Wissenschaftler, Sozialverbände und Gewerkschaften seit Monaten aufmerksam. Doch die mahnenden Rufe werden als „linker Müll“ abgetan. Dabei übersehen einige, wie schnell sie selbst in die Lage kommen könnten. Corona hat vielen die rosarote Brille vom Kopf gerissen. Da ist man dann plötzlich selbst auf Hilfe vom Staat angewiesen.

Mangelnde Teilhabe beim Bürgergeld gleicht dem Verlust der Menschenrechte

Armut ist real

Vielleicht hat der eine oder andere auch ein Gespür dafür bekommen, was Armut heißt. Aber nein: In Deutschland von Armut zu sprechen, sei ja unverschämt, wenn man sich im Rest der Welt umsehe. Wer derart oberflächlich sämtliche Sozialsysteme über einen Kamm schert, ohne den Rahmen zu beachten, der steckt auch alle Bürgergeld-Empfänger in eine Schublade mit dem Etikett „faul“. Dass viele Betroffene arbeiten und aufstocken müssen, Angehörige pflegen oder Kinder großziehen, viele Jahre malocht haben und jetzt krank oder schlicht zu alt sind: Vor all dem verschließt man die Augen, um ja nicht das alte Menschenbild aufgeben und sich eingestehen zu müssen, dass Armut real ist.

Bild: XYZ images/ shutterstock.com