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Bürgergeld: Politik verharmlost Armut

Schere mit Aufschrift Arm und Reich auf Euro Geld

Entsolidarisierung, Entpolitisierung und Entdemokratisierung: Der soziale Zusammenhalt in der Bundesrepublik bricht immer mehr auseinander. Als Ursache dafür sieht der Politikwissenschaftler Professor Dr. Christoph Butterwegge die „ausgeprägte Ungleichheit“. Und obwohl es ausreichend statistische Daten gebe, mangele es an politischen Taten, erklärt er in einem Interview mit dem „Blog der Republik“. Seine Forderung: Ungleichheit müsse bekämpft, Armut beseitigt und Reichtum begrenzt werden. Dazu zähle auch ein höheres Bürgergeld.

Verborgene Armut in der Mittelschicht

Armut breite sich immer weiter aus, sowohl bedingt durch die Pandemie als auch durch die hohen Energie- und Lebensmittelpreise. Diesbezüglich sieht Butterwegge drei Tendenzen: Es gebe mehr Einkommensarmut. Zudem schlage relative Einkommensarmut immer öfter in existenzielle Armut um, etwas durch Zwangsräumungen. Hinzu geselle sich die „verborgene Armut von Mittelschichtangehörigen“, deren Gehalt die Lebenshaltungskosten nicht mehr decke.

Bürgergeld: Inflation trifft Armutsbetroffene besonders hart

Bürgergeld-Empfänger wurden kaum entlastet

Die bisherigen Bemühungen der Regierung, um diesen Tendenzen etwas entgegenzustellen, bewertet der Politikwissenschaftler eher kritisch. Geringverdienern, Bürgergeld-Empfängern sowie anderen Transferleistungsbeziehern hätten die Entlastungspakete kaum etwas genützt. Pro-Kopf-Zahlungen hälfen nicht passgenau und Transfers für bedürftige Haushalte hätten Betroffene nur begrenzt entlastet. Denn: Man habe die Symptome, nicht aber die Ursachen bekämpft.

Armutsbericht der Regierung ist blauäugig

Ebenfalls wenig löblich fällt das Urteil von Professor Dr. Christoph Butterwegge zu den Armuts- und Reichtumsberichten aus. Sie würden als Erfolgsbilanzen verkauft und verharmlosten dadurch Armut. Die Berichte könnten nur dann eine Basis für die Politik der Regierung sein, wenn sie tatsächlich die „Lebenslagen in Deutschland“ darstellen und die Ursachen der Ungleichheit analysieren würden. Obwohl der jüngste Bericht weniger blauäugig sei, hätte man nach wie vor keine Konsequenzen daraus gezogen.

Mindestlohn und Regelsätze anheben

Mögliche Maßnahmen im Kampf gegen die Ungleichheit seien eine Anhebung des Mindestlohns und des Bürgergelds. Auch die Vermögenssteuer müsse wiederbelebt und der Spitzensteuersatz angehoben werden. Ein bedingungsloses Grundeinkommen erachtet der Wissenschaftler nicht als geeignetes Mittel, weil es weder gerecht sei noch etwas an der sozialen Ungleichheit ändere.

Bürgergeld mit diesen Tricks kleingerechnet – 725 Euro plus Strom anstatt 502 Euro 

Politische Zerrissenheit

Die Folgen, sollte nicht bald etwas passieren, zeichnet Professor Butterwegge in finsteren Farben: Die soziale Zerrissenheit führe auch zu einer politischen Zerrissenheit. Das parlamentarisch-demokratische Repräsentanten-System befinde sich in einer tiefen Krise. Das Modell der Volksparteien franse immer weiter aus und treibe die untere Mittelschicht an den rechten Rand.

Bild: PhotographyByMK/ shutterstock.com