Zum Inhalt springen

Bürgergeld-Bedürftige müssen sich immer rechtfertigen

Frau wird von anderer Frau belehrt

Faul und undankbar – das sind die Andeutungen, mit denen Armutsbetroffene in Deutschland leben müssen. Noch schlimmer wird es, wenn ein Bürgergeld-Empfänger etwas kauft, das nicht lebensnotwendig ist: ein Buch für knapp 15 Euro. Dann auch noch auf den irrwitzigen Regelbedarf von 1,81 Euro für Bildung zu verweisen, und schon beginnt eine dieser unsäglichen Debatten über das ach so üppige Bürgergeld und wie gut man davon leben kann.

Politische Bildung ist nicht gewollt

Twitter-Userin „Nini Klein“ schreibt, dass sie für das Buch „Kampf um die Armut. Von echten Nöten und neoliberalen Mythen“ von Ulrich Schneider ihren Bedarf für Bekleidung und Schuhe nutzen musste. Denn mit 1,81 Euro monatlich, die der Bürgergeld Regelsatz bei einem alleinstehenden Erwachsenen für Bildung vorsieht, komme man nicht weit. Fazit von „Nini Klein“: Als Armutsbetroffene solle sie sich nicht (politisch) bilden.

Aufregung um ein Buch

Was folgt, sind nur wenige Antworten, die Verständnis zeigen. Ein Leser musste das Abonnement seiner Zeitung kündigen, weil er sich nicht mehr leisten kann. Alle anderen Kommentare gehören zur Kategorie „Besserwisser“ und untermauern ein Bild von Bürgergeld-Empfängern, das durch billige Dokus geprägt wurde. Oder anders ausgedrückt: Man gönnt der Frau nicht einmal ein Buch.

Warum glauben alle, Bürgergeld-Betroffene bevormunden zu müssen?

Hilft nicht bei der Arbeitssuche

„Erhöht das Buch ihre Kompetenz auf dem Arbeitsmarkt?“,

lautet eine Frage. Sie impliziert offen, was viele denken, die sich noch nie näher mit dem Bürgergeld befasst haben: Geh doch arbeiten, dann musst Du Dich nicht über das Bürgergeld beschweren. Dass die Frau gar nicht arbeiten kann, weil sie erwerbsunfähig ist, lässt den User eher kalt. Dann erhalte sie auch kein Bürgergeld.

Bücherei-Tipp

Andere raten, zu warten und sich das Buch später in der Bibliothek zu leihen. Und natürlich gibt es auch den Hinweis, dass Arbeit ein Konzept wäre, wenn man schon

„so ausgefallene Hobbys hat, wie Bücher sammeln“.

Ergänzt um den Tipp mit der Bücherei (die es übrigens – wie auch die Tafeln – nicht überall gibt und nicht für jeden erreichbar sind).

Bürgergeld mit diesen Tricks kleingerechnet – 725 Euro plus Strom anstatt 502 Euro 

Die Gesellschaft ist zerrissen

Kurzum: Bürgergeld Empfänger dürfen sich nichts „gönnen“. Diese Einstellung zieht sich quer durch alle Lebensbereiche. Selbst bei einem Tweet, wie sehr Medikamenten das Budget belasten, wird auf billige Hustenbonbons verwiesen. Ganz zu schweigen von den Lebensmittelpreisen, die sich mit dem Regelbedarf schon lange nicht mehr in Einklang bringen lassen. So beweist ein Buch über Armut, wie sehr die Gesellschaft bereits gespalten, wenn nicht gar zerrissen ist.

Bild: fizkes/ shutterstock.com