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Bürgergeld-Empfänger sollte 51.000 Euro an das Jobcenter zahlen

Mann müde und fassungslos am Schreibtisch wegen Bürgergeld Rückforderung

51.000 Euro sollte ein Bürgergeld-Empfänger an das Jobcenter zurückzahlen, weil er vor über zehn Jahren die Lehre abgebrochen und sich damit sozialwidrig verhalten hat. Dieser Forderung schob das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen jetzt einen Riegel vor. Die Richter sahen keinen Zusammenhang zwischen dem Abbruch der Ausbildung und der späteren Hilfebedürftigkeit. Die Behörde verstoße damit gegen das Übermaßverbot (Urteil vom 26. Januar 2023, Aktenzeichen L 11 AS 346/22).

Hartz IV um 30 Prozent gekürzt

Der Fall: Gegen die Rückforderung durch das Jobcenter hatte ein heute 28-Jähriger geklagt. 2012 war ihm der Ausbildungsplatz gekündigt worden. Der Grund: unentschuldigtes Fehlen am Arbeitsplatz. Bereits dafür hat das Jobcenter seinerzeit die Rote Karte gezückt und eine 30-prozentige Leistungskürzung vorgenommen.

Jobcenter sieht grob fahrlässiges Verhalten

Später zog man den großen Hammer aus der Schublade und warf dem Bürgergeld-Empfänger vor, seine Hilfebedürftigkeit selbst grob fahrlässig herbeigeführt zu haben. Dazu blickte man dann nicht ein paar Wochen oder Monate, sondern bis zu siebeneinhalb Jahre zurück. Wäre die Ausbildung regulär abgeschlossen worden, hätte der Betroffene gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt gehabt und wäre nicht auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen, so die Begründung. Dadurch summierte sich für die Zeit von Dezember 2015 bis September 2019 eine Rückforderung in Höhe von rund 51.000 Euro.

Abbruch nicht der Grund für Arbeitslosigkeit

Nachdem sich bereits das Sozialgericht Braunschweig (Aktenzeichen S 28 AS 447/21) mit dem Vorgang beschäftigt hatte und dem Jobcenter recht gab, folgte jetzt die Berufungsverhandlung vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen. Hier bestätigte man die Argumentation des Bürgergeld-Empfängers, dass

„sein damaliges Verhalten nicht mehr als Ursache seiner jetzigen Hilfebedürftigkeit gewertet werden“

dürfe.

Nach dreieinhalb bis siebeneinhalb Jahren lasse sich keine Kausalität mehr zwischen dem Ausbildungsabbruch und dem SGB-II-Leistungsbezug herstellen. Oder anders ausgedrückt: Dass die Lehre abgebrochen wurde, sei nicht die „rechtlich wesentliche Ursache“ der Arbeitslosigkeit.

Widerspruch zum Grundsatz des Forderns und Förderns

Wenn das Jobcenter aufgrund einer „Jugendsünde“ – die auch das LSG als sozialwidrig bezeichnet – erhebliche Ersatzansprüche stelle, widerspreche dies dem „Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Grundsatz des Forderns und Förderns“. Man könne bei „einem unkooperativen, schwer vermittelbaren Arbeitslosen“ nicht davon ausgehen, dass er mit einer Ausbildung permanent gearbeitet hätte.

Mit den Ersatzansprüchen gegen den heute auf das Bürgergeld angewiesenen Kläger würde man jede Erwerbsperspektive zerstören. Zudem käme es häufiger vor, dass eine Ausbildung abgebrochen werde. Während Außenstehende ein solches Verhalten direkt als unklug und überstürzt erkennen, käme diese Erkenntnis bei Betroffenen meist erst später.

Bild: pathdoc/ shutterstock.com