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Nachteil Hartz IV: Vor Gericht sind nicht alle gleich

Richter mit Richterhammer hält sich Augen zu

Unerbittliche Härte erfahren Hartz IV Bedürftige vor Gericht, wenn sie ein paar Euro Verdienst oder die Bedarfsgemeinschaft verschweigen. Wenn jemand indes Millionen Euro an Steuergeldern hinterzieht, darf er meist mit Nachsicht rechnen. Das Problem, dass Arme strukturell benachteiligt werden, hat der Jurist und Autor Ronen Steinke in einem Buch verarbeitet. Der treffende Titel: „Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich. Die neue Klassenjustiz.“

Der Geldbeutel entscheidet

Im Gespräch mit dem rbb erläutert Steinke diese Einschätzung. Zunächst einmal moniert er, dass der Staat längst nicht jedem, der sich vor Gericht verantworten müsse, einen Pflichtverteidiger stelle. Im Umkehrschluss heißt das: Es kommt auf die persönlichen finanziellen Mittel an, ob man sich selbst verteidigen muss oder Hilfe von einem Profi an seiner Seite weiß.

Pflichtverteidiger für jeden

Eine der Forderungen des Juristen lautet dementsprechend: Unabhängig davon, welcher Vorwurf im Raum stehe, sollte jeder einen Verteidiger haben. Polen, Frankreich und Italien würden dies längst praktizieren. Nur dann sei Fairness möglich. Schließlich heißt es in Artikel 3 des Grundgesetzes:

(1) „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“

[…]

(3) „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Armutsforscher: Leben in Würde mit Hartz IV nicht möglich

Fairness kostet Geld und Zeit

Davon scheint man hierzulande noch weit entfernt zu sein. Weil Fairness Zeit und Geld koste, hänge alles davon ab, was man sich leisten könne, moniert Ronen Steinke.

Wer genug Geld habe, was bei Hartz IV Bedürftigen und Haushalten mit geringem Einkommen eher nicht der Fall ist, könne Prozesse in die Länge ziehen und die Gerichte mit Anträgen und Befangenheitsanträgen nerven.

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Davon scheint man hierzulande noch weit entfernt zu sein. Weil Fairness Zeit und Geld koste, hänge alles davon ab, was man sich leisten könne, moniert Ronen Steinke. Wer genug Geld habe, was bei Hartz IV Bedürftigen und Haushalten mit geringem Einkommen eher nicht der Fall ist, könne Prozesse in die Länge ziehen und die Gerichte mit Anträgen und Befangenheitsanträgen nerven.

„Die allermeisten, die sich das nicht leisten können, über die wird dann geurteilt“,

so Steinke gegenüber der Journalistin Mirjam Meinhardt.

Harte Gangart gegenüber armen Tätern

Das zweite Problem, mit dem Hartz IV Bedürftige aus Sicht des Autors zu kämpfen haben: Sie würden vor Gericht deutlich mehr Härte erfahren als beispielsweise Steuerbetrüger.

„Wer es nicht nötig hat und dann trotzdem die Gesellschaft übers Ohr haut […], der hat nicht mehr Nachsicht oder mehr Verständnis verdient als jemand, der an der Armutsgrenze lebt wie eine Hartz-IV-Empfängerin“,

die sich ein bisschen Würde erhalten möchte, sagt Ronen Steinke. Gerade aus ökonomischer Sicht müsse weitaus mehr über das Thema Steuerhinterziehung gesprochen werden.

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Reiche können sich aus der Affäre ziehen

Deutschland sei inzwischen ein Land, in dem die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinanderklaffe. Diese ökonomischen Aspekte und die Tatsache, dass der Kapitalismus tobe, dürften im Gerichtssaal jedoch keinen Unterschied machen. Das ist leider Wunschdenken. Denn, so Steinke im SWR:

„Arme Leute erleben die ungefilterte Härte des Strafrechts, während reiche Leute gute Chancen haben, sich aus der Affäre zu ziehen und beides hat in den letzten 20 Jahren noch zugenommen.“

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Bild: TSViPhoto/ shutterstock.com