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Kabinett gibt grünes Licht für das Bürgergeld

Hartz IV ist (bald) Geschichte, es lebe das Bürgergeld. Das Kabinett hat heute (14. September 2022) grünes Licht für eine der größten Sozialreformen gegeben und den Weg frei gemacht für die parlamentarische Debatte. Damit schickt man das Hartz IV System endgültig in Rente und löst es ab dem 1. Januar 2023 durch das neue Bürgergeld ab. Höhere Regelsätze, weniger Sanktionen, Vertrauenszeit und Co. sollen die Grundsicherung dann auszeichnen.

Erster Schritt Richtung Hartz IV Reform

Die Tagesschau titelt „Bürgergeld nimmt erste Hürde“. Nüchtern betrachtet, ist es genau das: einer der ersten Schritte. Denn eines dürfte klar sein: Bis zum Ziel ist es noch weit. Denn viele Freunde hat das Bürgergeld als Hartz IV Ersatz bislang nicht für sich gewinnen können. Die Sozialverbände fordern deutlich mehr Geld und die Gegner der Reform mehr Anreize zur Arbeit in Form von Fördern und Fordern bzw. einer härteren Gangart gegen Leistungsempfänger.

Starkes Signal für Sicherheit

Einer, der sich äußert zufrieden zeigt, dass die Hürde im Kabinett genommen wurde, ist Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Er erklärte im Anschluss an die Sitzung, die Menschen müssten sich auf den Staat verlassen können. Denn jeder könne hilfsbedürftig werden. Diesbezüglich habe die Regierung mit der Einführung des Bürgergeldes

„ein starkes Signal für Sicherheit und Respekt“

gesetzt.

Positive Anreize

Ebenfalls hoffnungsfroh zeigt sich der Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch (der übrigens einen Inflationszuschlag als Puffer gefordert hatte). „Statt auf demotivierende, häufig kontraproduktive Sanktionen setzt das Bürgergeld auf positive Anreize“, sagte er.

Dazu gehöre auch, dass Jobcenter Hartz IV Bedürftigen ab dem kommenden Jahr auf Augenhöhe begegnen sollen. Mehr noch: „Künftig werden alle von den Jobcentern in freundlichen, klaren Sätzen angeschrieben“, so Audretsch. Man wolle auf komplexe Rechtstexte und Rechtsfolgebelehrungen verzichten, zumal sie als Drohung wahrgenommen würden.

Höhere Regelsätze und Vertrauenszeit

Die Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist nur ein Baustein des neuen Bürgergelds. Gleichzeitig steigen die Regelsätze (wir hatten darüber berichtet). Ein alleinstehender Erwachsener erhält künftig 502 Euro Regelsatz statt aktuell 449 Euro. Das sind 53 Euro mehr.

Hartz IV/ Bürgergeldbis 2022ab 2023ein Plus von
Regelbedarf für Alleinstehende/ Alleinerziehende
(Regelbedarfsstufe 1)
449 €502 €53 € (11,8%)
Volljährige Partner innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft
(Regelbedarfsstufe 2)
404 €452 €48 € (11,9%)
RL unter 25-Jährige im Haushalt der Eltern /
Strafregelleistung für ohne Zustimmung ausgezogene U 25’er
(Regelbedarfsstufe 3)
360 €402 €42 € (11,7%)
Kinder 14 bis 17 Jahre
(Regelbedarfsstufe 4)
376 €420 €44 € (11,7%)
Kinder von 6 bis 13 Jahre
(Regelbedarfsstufe 5)
311 €348 €37 € (11,9%)
Kinder bis 5 Jahre
(Regelbedarfsstufe 6)
285 €318 €33 € (11,6%)

Darüber hinaus gilt unter anderem:

In den ersten beiden Jahren wird die Angemessenheit der Wohnung nicht überprüft. Außerdem darf man als Alleinstehender bis zu 60.000 Euro an Vermögen behalten. Erst im Anschluss an die 24 Monaten schaut das Jobcenter näher hin, wobei mehr Vermögen als bislang unangetastet bleibt. Neu ist auch die Vertrauenszeit, in der keine Sanktionen verhängt werden sollen. Hält man sich an die Regeln, bleibt es dabei. Verstöße wiederum können mit bis zu 30 Prozent Leistungskürzung bestraft werden.

Hier gibt es den kompletten Gesetzesentwurf zum Bürgergeld der Bundesregierung auf der Seite des BMAS.

SoVD: Reform ist wichtig

Grundsätzlich begrüßt wird die Reform vom Sozialverband Deutschland (SoVD). Dessen Vorstandsmitglied Michaela Engelmeier betonte:

„Gut, dass jetzt die Grundsicherung reformiert werden soll. In der Krise verlieren viele Menschen unerwartet ihre Arbeit – sie müssen nun nicht mehr ihr Vermögen verbrauchen oder sofort umziehen.“

Forderung nach 650 Euro bleibt

Allerdings zeigt sich der SoVD enttäuscht über die Höhe der neuen Regelsätze.

„Das ist einfach zu wenig. Wir bleiben hier bei unserer Forderung von 650 Euro und 100 Euro sofort für den Übergang. Denn die Betroffenen in Grundsicherung leiden schon jetzt unter explodierenden Preisen.-“

Hartz IV Bedürftige nicht gegen Arbeitnehmer ausspielen

Kritik kommt unter anderem von den Arbeitgebern. Sie sehen das Bürgergeld als „falsches Signal an Bezieher kleiner Einkommen“. Auch das Handwerk und Unionspolitiker spielen die Karte aus, dass sich Arbeit weiterhin lohnen müsse. Genau davor warnt Verena Bentele vom Sozialverband VdK:

„Bürgergeld-Empfänger sollen nicht gegen Niedriglöhner ausgespielt werden. Die Erhöhung um 50 Euro im Monat ist nur ein längst überfälliger Inflationsausgleich, der ein Jahr zu spät kommt.“

Es folgt die parlamentarische Debatte

Welche Stimmen die Oberhand gewinnen, wird sich im Rahmen der parlamentarischen Beratungen zeigen. Sicher ist nur eines: Freundliche Sätze, wie Andreas Audretsch sie verspricht, wird es bei der Debatte kaum geben.

Bild: Bildagentur Zoonar GmbH/ shutterstock.com (Fotomontage)