Weltfremd oder schlecht informiert? Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) klopft sich für das 30 Milliarden Euro Entlastungspaket gerne selbst auf die Schulter. Den Vorwurf, das Geld mit der Gießkanne zu verteilen, lässt er von sich abperlen. Stattdessen erklärt er, dass die Hilfe bei Geringverdienern 90 Prozent der Preissteigerung auffangen würden. Da hatte sein Taschenrechner wohl einen Wackelkontakt. Regierungssprecher Steffen Hebestreit relativierte die Aussage umgehend.
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Heizkosten sind sozialer Sprengstoff
Immerhin hat Bundeskanzler Olaf Scholz erkannt, dass die Inflation sowie die steigenden Energiekosten Haushalte mit geringem Einkommen, Rentner und Hartz IV Bedürftige besonders belasten. Er sprach im Rahmen eines Sommerinterviews von „sozialem Sprengstoff“ und warnt, dass die größten Herausforderungen erst im kommenden Jahr bevorstehen.
2022: Stromkosten fast 40 Prozent höher als die Hartz IV Pauschale
Vorerst keine weiteren Entlastungen
Gleichzeitig machte er deutlich, dass es vorerst keine weiteren Entlastungen geben werde. Auch die „konzertierte Aktion“, gemeint sind die Regierungsgespräche mit Gewerkschaften und Arbeitgebern, hatten keine konkreten Pläne zum Ziel. Lösungen sollen erst im September gefunden werden.
Unrealistisch: 90 Prozent der Kosten aufgefangen
Für nötig scheint Olaf Scholz neue Maßnahmen vorerst ohnehin nicht zu halten. Die bisherigen Hilfen reichen seiner Meinung nach aus:
„Für dieses Jahr sagen fast alle, die nachgerechnet haben, dass wir bei den unteren und mittleren Einkommen ungefähr 90 Prozent der Preissteigerungen durch die vielen Maßnahmen, die wir ergriffen haben, aufgefangen haben.“
Dass Regierungssprecher Steffen Hebestreit diese Aussage relativieren musste, spricht Bände. Es beweist, wie weit die Politik von denen entfernt ist, die mit Hartz IV, einem geringen Einkommen oder nur eine Mini-Rente auskommen müssen.
Einmalzahlung deckt nicht einmal die Lebensmittelkosten
Die 200 Euro Einmalzahlung für Hartz IV Bedürftige reichen nicht einmal aus, um die höheren Lebensmittelkosten auszugleichen. Rentner erhalten – nur mit wenigen Ausnahmen – überhaupt keine Hilfe. Und Arbeitern sowie Angestellten bleiben von der 300-Euro-Energiepauschaule nach Abzug der Steuern nur knapp 193 Euro. Heißt: Die Hilfe verpufft sofort, entweder für Lebensmittel oder die Stromnachzahlung.
200 Euro Hartz IV Sofortzuschlag Auszahlung
Armut breitet sich rasant aus
Durchaus richtig erkannt hat Olaf Scholz, dass die Teuerung sozialer Sprengstoff ist. Nicht erwähnt hat er, dass die Lunte längst brennt. Vielleicht hat er es gar nicht mitbekommen. Vielleicht will er es auch gar nicht sehen. Die die aktuelle Situation wirft jedenfalls kein gutes Licht auf die Sozial- und Hartz IV Politik.
Immer mehr Rentner in Grundsicherung
Hier nur zwei von vielen Problemfeldern. Punkt eins, die Altersarmut. Die „Berliner Zeitung“ berichtet, dass in der Hauptstadt inzwischen sieben Prozent der Menschen über 65 Jahren auf Grundsicherung im Alter oder schlicht Hartz IV angewiesen sind. In den vergangenen drei Jahren sind nur in Berlin über 5.100 neue Betroffene hinzugekommen.
Die Tafeln sind überfordert
Noch deutlich wird die Lage mit Blick auf die Tafeln. In Sachsen, so ein Bericht des Mitteldeutschen Rundfunks, versorgen die Tafeln bereits zehn Prozent der Bevölkerung. Es sind nicht nur Hartz IV Bedürftige, die Schlange stehen. Auch Familien und Rentner, die sonst nicht über die Runden kommen würden, sind auf die Unterstützung und günstige Lebensmittel angewiesen.
Sechs Tage hungern dank Hartz IV und Inflation
Existenznöte werden verkannt
Die Politik verkennt die Existenznöte. Sie verteilt Geld mit der Gießkanne, statt gezielt zu helfen. Und mit Fantasie-Zahlen wie 90 Prozent Kostendeckung beweist sie traurigerweise, dass sie die Lage nicht einmal richtig einschätzen kann. In der Schule gäbe es dafür ein ungenügend.
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