Zum Inhalt springen

Arbeitsminister: Keine Hartz IV Rückzahlung wegen 9-Euro-Ticket

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Rednerpult

Gute Nachrichten für Hartz IV Familien, deren Kinder Schülerfahrkarten nutzen: Die drohende Rückzahlung aufgrund des 9-Euro-Tickets scheint vom Tisch zu sein – zumindest von oberster Stelle des Bundesarbeitsministeriums keine Anrechnung gewünscht. Im Raum steht eine Forderung in Höhe des Differenzbetrages zwischen dem regulären Preis und den Kosten für das 9-Euro-Ticket. Jetzt hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) die Länder zum Verzicht auf die Rückzahlung aufgefordert.

Der Hintergrund

Unser Bericht zur drohenden Rückzahlung aufgrund des 9-Euro-Tickets hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt. Hintergrund: Das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit in Baden-Württemberg hatte angekündigt, Geld von Hartz IV Familien zurückzufordern, weil die Schülerfahrkarten durch das 9-Euro-Ticket günstiger geworden seien.

Ungerechtfertigte Bereicherung

Begründet wurde dieser Schritt mit einer „ungerechtfertigten Bereicherung“. In Bayern sprach von man einer „ungerechtfertigten Besserstellung“, weil mehr Geld bewilligt und gezahlt worden sei, als letztlich vom Verkehrsunternehmen berechnet werde.

Unterschiedliche Handhabung in den Ländern

Doch nicht alle Bundesländer sehen es als nötig an, die Differenz zurückzufordern. Einige wollen darauf verzichten. Daraus ergibt sich ein Flickenteppich aus unterschiedlichen Ansichten. Hinzu kommt, dass es letztlich die Aufgabe der Jobcenter ist, zu entscheiden, ob sie Geld von den Hartz IV Bedürftigen zurückfordern oder nicht.

Machtwort des Ministers

Jetzt hat sich Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in die Debatte eingemischt. Mit einer klaren Stellungnahme: Wie die „taz“ und mehrere andere Medien berichten, hat er die Länder aufgefordert, keine Rückforderung aufgrund des 9-Euro-Tickets zu stellen. Die „taz“ titelt dementsprechend: „Länder sollen arme Eltern schonen.“

Die rechtliche Grundlage dieser Forderung findet sich im Sozialgesetzbuch II. Demnach soll bei Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket auf Rückforderungen verzichtet werden. Und genau ein solcher Fall liege mit dem 9-Euro-Ticket vor.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) sieht zudem einen erheblichen Verwaltungsaufwand aufseiten der Jobcenter durch mögliche Rückforderungen. Dieser Aufwand sei von den Hartz IV Familien weder „verursacht noch beabsichtigt“, schreibt die „taz“.

Zustimmung für Arbeitsminister Heil

Klare Worte findet auch der rheinland-pfälzische Sozialminister Alexander Schweitzer (SPD). Er ist ebenfalls dagegen, dass die Vergünstigung durch das 9-Euro-Ticket auf die Hartz IV Leistungen angerechnet werden sollen.

Ersparnis nicht auf Hartz IV anrechnen

Das Sozialministerium in Mainz erklärte dazu: „Leider ist es trotz einer bundesgesetzlichen Regelung in einzelnen Ländern zu Irritationen gekommen, da das 9-Euro-Ticket dort auf Leistungen angerechnet werden soll, die Jobcenter für Bildung und Teilhabe erbracht haben.“

Regelsätze ohnehin zu gering

Ein Grund für die Einschätzung von Alexander Schweitzer: die Hartz IV Regelsätze. Sie seien

„angesichts der hohen Kosten für Energie, Lebensmittel und einer extrem dynamischen Inflation ohnehin zu gering bemessen“.

Grotesk und gewissenlos

Auch die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion in Baden-Württemberg, Dorothea Kliche-Behnke, nennt die Forderung aus dem Wirtschaftsministerium in ihrem Bundesland nach einer Rückforderung „grotesk und gewissenlos“. Rechtlich sei sie vielleicht nachvollziehbar. Aus menschlicher Sicht sollte man darauf verzichten.

Ohne Herz und Verstand

Der Sprecher für Sozialpolitik der Grünen in Niedersachsen, Volker Bajus“, nennt den Vorgang „eine bürokratische Entscheidung ohne Herz und auch ohne Verstand“. Kinder in Hartz IV Familien hätten jede staatliche Hilfe nötig. Betroffene dürften daher nicht mit Geldforderungen konfrontiert werden. Vor allem müsse zügig geklärt werden, wer zuständig ist.

Agentur für Arbeit (BA) nicht zuständig

Denn genau da liegt das Problem. Die Bundesarbeitsagentur sieht sich laut Medienberichten nicht zuständig. Sie werde auch keine Weisung herausgeben. Denn: Die Schülerfahrkarte sei Teil des Bildungs- und Teilhabepaketes und somit eine Aufgabe der Städte und Kommunen. Immerhin: Unsere Anfragen in Jobcentern haben ergeben, dass nach jetzigem Stand das 9-Euro-Ticket keine Auswirkungen auf Hartz IV Bedürftige habe, da es in den Jobcentern noch nicht thematisiert wurde. Hier könnte es aber auch verschiedene Regelungen geben, zumal kommunale Jobcenter und Jobcenter, die der Bundesagentur für Arbeit unterstehen, unterschiedlich damit umgehen können.

Sozialpolitisch sachgerecht

Ein solcher Verzicht sei, betont das BMAS „sozialpolitisch sachgerecht“ und ließe sich aus den Regelungen des SGB II herleiten. Daher werde man die Landesministerien anschreiben, die Rechtsauffassung darlegen und bitten, auf die Rückforderung zu verzichten.

Ende offen

Das Problem: Das Bundesarbeitsministerium kann zwar lieb darum bitten, auf Rückzahlungen zu verzichten. Ob die Länder, Städte und Kommunen sowie die einzelnen Jobcenter dieser Bitte auch Folge leisten, steht auf einem anderen Blatt. Denn die Rechtsauffassung, die das BMAS vertritt, ist für die Länder nicht bindend.

Bildnachweis: photocosmos1/ shutterstock.com