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Jobcenter Datenschutz-Skandal: Persönliche Daten von Bedürftigen online einsehbar

Hacker in Kapuze sitzt vor mehreren Monitoren

Ein paar Mausklicks und jeder weiß, dass Max Muster auf Hartz IV angewiesen ist, wann er geboren wurde und an welcher Adresse er gerade gemeldet ist. Dazu braucht es in Deutschland nicht einmal besondere Hacker-Kenntnisse. Denn über 25 Jobcenter haben, entsprechend den Vorgaben der Bundesagentur für Arbeit – unter dem Deckmantel der Corona-Pandemie – öffentliche Zustellungen kurzerhand im Internet veröffentlicht – für jedermann einsehbar.

Was ist eine öffentliche Zustellung?

Zunächst einmal: Worum handelt es sich bei einer öffentlichen Zustellung? Diese Möglichkeit wird durch das Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) eingeräumt. Das gilt unter anderem, wenn Mitteilungen zu Hartz IV oder anderen Anliegen nicht per Post verschickt werden können, weil der „Aufenthaltsort des Empfängers unbekannt ist“ (§10 VwZG Absatz 1, Satz 1)

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Das schwarze Brett

Normalerweise erfolgt eine solche öffentliche Zustellung über das „Schwarze Brett“, das sich in einem Aushangkasten oder aber im Eingangsbereich der Dienststelle befindet. Diese „Ausgangssituation“, wie die Weisung der BA es nennt, musste aufgrund der Corona-Pandemie angepasst werden.

Daten online publiziert

Voraussetzung für diese Änderung ist, so die Bundesagentur für Arbeit in ihrer Weisung vom 23.12.2020 ,

„dass eine Dienststelle längerfristig für den Publikumsverkehr geschlossen ist und keine Aushangmöglichkeit an einer allgemein zugänglichen Außentür oder vor dem Gebäude vorhanden ist“.

Stattdessen soll die Bekanntmachung „im Ausnahmefall auf der Internet-Seite der Dienststelle vorgenommen“ werden.

Eigene Gesetzesauslegung

Das ist eine recht interessante Auslegung des Verwaltungszustellungsgesetzes. Vorgeschrieben ist die „Bekanntmachung an der Stelle, die von der Behörde hierfür allgemein bestimmt ist“. Ob der Gesetzgeber damit das Internet und somit den öffentlichen Zugriff meint, ist fraglich.

Datenschützer schlagen Alarm

Aufgedeckt wurde der Skandal von Datenschützern Rhein Main, die bereits Anfang März dieses Jahres auf den misslichen Umstand hingewiesen haben. Denn hier werden personenbezogene Daten vom Namen über die Anschrift bis hin zum Geburtsdatum und den Hartz IV Ansprüchen „ohne gesetzliche Grundlage veröffentlicht und das auch noch außerhalb des Geltungsbereichs der DSGVO (Datenschutzgrundverordnung)“, so die Experten von „dieDatenschützer Rhein Main„.

Keine Rechtsgrundlage

Besonders problematisch ist, dass die öffentliche Zustellung im Internet durch keine einzige Rechtsgrundlage abgedeckt ist. Immerhin geht es hier um Informationen, die ganz offiziell dem Sozialdatenschutz (§§ 67 ff SGB X) unterliegen.

Jobcenter missachten Datenschutz

Das ändert nichts an dem Umstand, dass über 25 Jobcenter und lokale Dienststellen der BA das Internet als „Aushang“ benutzen. Ein Beispiel: „Das Jobcenter Rhein-Berg hat seine Website als Stelle für Öffentliche Zustellungen seiner Bescheide im Sinne des § 10 VwZG bestimmt.“ Ein solcher Umgang mit dem Datenschutz kommt andere teuer zu stehen.

Unsere Redaktion hat sich ein paar der Einträge der öffentlichen Zustellung angeschaut, siehe auch Screenshots vom 26.08.2021 12:30 Uhr.

Wie genau die Jobcenter das mit dem Aushang nehmen, zeigt direkt das Jobcenter Eigenbetrieb für Arbeit Saalekreis – hier hätte der Aushang vom 06.07.2021 bis 17.08.2021 öffentlich sein sollen, war dennoch am 26.08.2021 öffentlich über die Webseite des Jobcenters abrufbar.

Das Jobcenter Alb-Donau veröffentlich sowohl Geburtsdatum als auch die Art des Bescheides, macht aber die Geschäftsnummer teilweise unkenntlich. Andere Jobcenter hingegen veröffentlichen das Geschäftszeichen, lassen aber das Geburtsdatum außen vor.

Im Jobcenter für den Landkreis Nienburg unterlässt man auch die Angabe des Geburtsdatums. Allerdings werden sowohl Geschäftszeichen als auch die Art des Bescheides bzw. Bescheide veröffentlicht.

Bildnachweis: Andrey_Popov/ shutterstock.com