Obwohl die Bundesrepublik wirtschaftlich solide aufgestellt ist, hat sich am Status der Kinder- und Jugendarmut in den vergangenen Jahren kaum etwas verändert. Das Niveau bleibt gleichbleibend hoch. Und das hat verheerende Folgen für Kinder in Hartz IV und aus Familien mit prekärem Einkommen: Bildungsexpertin Anette Stein warnt in einem Brigitte-Interview, dass die Jungen und Mädchen tagtäglich beschränkt werden.
Inhaltsverzeichnis
2,8 Millionen Kinder in Armut
Kinderarmut ist ein Problem, dass man nicht einfach so übersehen kann. 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren wachsen in Armut auf. Kinder, die bei alleinerziehenden Hartz IV Bedürftigen aufwachsen, sind mit 45,2 Prozent besonders von Armut betroffen. Insgesamt leben 13,8 Prozent aller Kinder in einer Familie, die auf Hartz IV angewiesen ist.
Immer mehr Kinder in Hartz IV und Armut
Kinder leiden
Die Probleme, die sich daraus ergeben, sind vielfältiger Natur. Dazu nennt Anette Stein von der Bertelsmann Stiftung zwei Beispiele: Kinder in Hartz IV können ihren Freunden oft keine Geburtstagsgeschenke machen oder selbst zur Geburtstagsfeier einladen, „weil die Wohnung das nicht hergibt“.
Hartz IV: Keine Chancengleichheit für Kinder
Begabungen werden nicht ausgelebt
Viel schlimmer aber ist, dass Kinder in Hartz IV oft nicht in der Lage sind, Interessen und Begabungen auszuleben. Dazu erklärt die Bildungsexpertin:
„Wo andere Eltern aus Erziehungsgründen Nein sagen, tun es arme Eltern aus der Not heraus.“
Und das wird keiner Mutter und keinem Vater leichtfallen.
Hartz IV Klischees
Im Interview wurden auch typische Hartz IV Klischees angesprochen. Etwa, dass für die Kinder kein Geld da ist, weil es für Alkohol oder Zigaretten ausgegeben wird. Eine Aussage, die Anette Stein wütend macht.
„Der allergrößte Teil derer geht verantwortungsvoll mit seinem Geld um, hat aber einfach zu wenig“, betont sie. Es sei schwer, aus Armut, in die man hineingeboren wurde, wieder herauszukommen.
Dank Hartz IV als Schmarotzer abgestempelt
Fördersystem zu kompliziert
Ein weiteres Problem: Das Geld kommt nicht bei denen an, die es gebrauchen. Weil es zu kompliziert sei, beantragten nur 34 derer, die bedürftig sind, die entsprechenden Leistungen. „In unserem Fördersystem blickt kaum einer durch“, sagt Anette Stein. Hinzu komme, dass Anpassungen beim Kindergeld bei Hartz IV Bedürftigen gleich wieder angerechnet würden.
Hartz IV Trauerspiel: Bildungs-und Teilhabepaket kommt bei Kindern nicht an
Armut beeinträchtigt die Gesundheit
Mit der Armut gehe ein enormes Entwicklungsrisiko für Kinder einher. Gesundheit, Wohlbefinden, Psyche und Bildung würden beeinträchtigt. Erfahrungen mit Mobbing und Gewalt seien bei Kindern aus Hartz IV und einkommensschwachen Familien ebenfalls höher.
Kinder in Hartz IV: tiefe soziale Ungleichheit
Kinder wissen genau, was fehlt
Die Untersuchung der Bildungsexpertin hat allerdings auch Positives ergeben. Demnach wissen Kinder in Hartz IV sehr genau, was ihnen fehlt: soziale Teilhabe. Sie möchten nicht länger ausgegrenzt werden. Daher lautet die Forderung an die Politik:
„Auch diese Kinder sind die Zukunft dieses Landes“ Es seien neue sozial- und familienpolitische Konzepte nötig, mit Strukturen für eine konsequente Beteiligung von Kindern. Ergänzend brauche es eine „Absicherung der finanziellen Bedarfe durch ein Teilhabegeld oder eine Grundsicherung“.
Statt Hartz IV: Bundesländer wollen Kindergrundsicherung
Bildnachweis: fizkes / shutterstock.com