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Anhörung im Bundestag: Hartz IV Berechnung angemessen oder Schikane?

Debatte

In einer Anhörung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales wurde der Gesetzesentwurf zur Regelbedarfsermittlung (RBEG) diskutiert. Die Positionen der teilnehmenden Parteien variierten dabei enorm: Für die einen ist die Hartz IV Berechnungsmethode angemessen sachdienlich, für die anderen pure Schikane.

Bundestagsanhörung: EVS auf dem Prüfstand

Am Montag, den 02. November 2020, traf sich der Ausschuss des Bundestages für Arbeit und Soziales, um über die Berechnungsmethoden des Hartz IV Regelsatzes zu beraten und abzustimmen. Vertreter der Bundesregierung sowie von Arbeitgeberverbänden und Sachverständigen trugen dabei jeweils ihre Positionen vor – und die hätten unterschiedlicher nicht sein können.

„Fragwürdiges Menschenbild“: Hartz IV Empfänger arbeitsfaul?

Im Fokus der Kritik steht dabei insbesondere die Ermittlung des Regelsatzes über Einkommens- und Verbrauchstichproben (EVS). Dabei werden die Einnahmen und Verbrauchsausgaben der einkommensschwächsten 15 Prozent der Bevölkerung herangezogen, um so den Hartz IV Regelbedarf zu ermitteln. Dr. Anna Robra von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände hält die EVS für eine geeignete Berechnungsmethode:

Die EVS ist alternativlos, weil sie die einzige Quelle für valide Daten ist“, auch das Bundesverfassungsgericht teile diese Auffassung.

Grundsätzlich sollten Erwerbslose monatlich weniger Geld zur Verfügung haben als die arbeitende Bevölkerung, um einen Anreiz zum Arbeiten zu schaffen, so Robra weiter. Petra Zwickert von der Diakonie attestierte unterdessen denen, die vor diesem Hintergrund das Bild des arbeitsscheuen Hartz IV Empfänger zeichneten ein „fragwürdiges Menschenbild“.

EVS schließt verdeckt Arme ein

Kritik an der aktuellen Berechnungsmethode anhand der EVS kam dabei insbesondere von links. Die EVS schließe „verdeckt Arme“ ein, die angesichts ihres niedrigen Einkommens eigentlich Anspruch auf aufstockende Hartz IV Leistungen hätten, diese Ansprüche jedoch nicht geltend machen. Auf diese Weise würde der Regelbedarf deutlich geringer ausfallen als er in Wirklichkeit sein sollte. Die Linke fordert daher in ihrem Antrag mit dem Titel „Rechentricks überwinden – Regelbedarfe sauber berechnen“ eine Reform der Berechnungsmethode- eine Forderung, der sich auch die Grünen in einem Antrag ihrerseits anschlossen.

Auch Inge Hannemann, Sachverständige und Hartz IV Kritikerin, teilt diese Auffassung:

Die EVS- Berechnung ist nicht geeignet, um die Menschen aus Armut herauszuholen“, so die ehemalige Jobcenter-Mitarbeiterin.

Hartz IV Empfänger wollen ohne „Taschenrechner im Kopf“ leben

Sie streiche gerade auch bei Kindern Kosten heraus, die für eine sozio-kulturelle Teilhabe enorm wichtig seien. Grundsätzlich müsse gewährleistet werden, dass Kinder und Jugendliche aus Familien im Hartz IV Bezug nicht – so rechnet Hannemann vor – 76 Monate für ein gebrauchtes Fahrrad gemäß aktuellem Regelbedarf sparen müssten. Hartz IV Empfänger „wollen einfach leben, ohne ständig einen Taschenrechner im Kopf zu haben„, fasst die Erwerbslosenaktivistin zusammen.

Trotz weitreichendender Kritik empfand eine Mehrheit der Anwesenden bei der Anhörung im Bundestag die EVS jedoch als angemessene Grundlage für die Berechnung des Regelsatzes.

Titelbild: Pictrider/ shutterstock.com