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Bundesrat knöpft sich Hartz IV Regelsatz vor: Massive Kritik an Berechnung

Bundesrat

Der Bundesrat hat eine Stellungnahme zum Entwurf des Regelbedarfsermittlungsgesetz veröffentlicht – und die fällt nicht gerade positiv aus.

RBEG: Bundesrat nimmt Stellung

Seit seiner Veröffentlichung steht der Entwurf zum Regelbedarfsermittlungsgesetz (RBEG) immer wieder in der Kritik, Nun reiht sich auch der Bundesrat in die Riege derer ein, die dem RBEG wenig abgewinnen können. In einer Stellungnahme von 09. Oktober 2020 geht der Bundesrat mit dem Gesetzesentwurf hart ins Gericht.

Regelbedarfsermittlung entspricht Erwartungen nicht

Besonders kritisiert der Bundesrat die Methode der Regelbedarfsermittlung. Diese müsse vor allem „transparent, sach- und realitätsgerecht“ erfolgen und sich nicht willkürlicher Abschläge bedienen. Der Gesetzgeber müsse außerdem gehalten sein, Bedenken bezüglich einer möglichen Unterdeckung bestimmter Bedarfe zu berücksichtigen und unzureichende Berechnungsmethoden zu verbessern. Diese Forderungen stellte das Bundesverfassungsgericht bereits in den Jahren 2010 und 2014 auf, allerdings bleibe das Regelbedarfsermittlungsgesetz laut Bundesrat in seiner aktuellen Form hinter diesen Erwartungen „weit zurück“.

Einkommens-und Verbrauchsstichproben keine geeignete Methode

Zudem sei die Ermittlung des Regelbedarfs über Einkommens- und Verbrauchsstichproben (EVS) keine geeignete Methode. Hierbei werden die Einnahmen und Ausgaben der einkommensschwächsten 15 Prozent der Bevölkerung betrachtet, um anhand dieser die Bedarfe für Empfänger der Grundsicherung zu bestimmen. Besonders problematisch sei an dieser Vorgehensweise laut Bundesrat, dass Haushalte mit „Aufstockern“ und „verdeckten Armen“ immer noch als Referenzgruppe herangezogen werden. Dadurch entstehen verheerende Trugschlüsse, die letzten Endes in fälschlicherweise zu niedrig bemessenen Regelbedarfen münden.

EVS: Strombedarf zu knapp bemessen

Vor diesem Hintergrund hebt der Bundesrat besonders die resultierende Unterdeckung des Energiebedarfs und damit verbundenen Stromkosten von Haushalten in der Grundsicherung hervor. Eine Berechnung der Bedarfe über die EVS bürge angesichts der „unverändert konstant hohen Strompreise in Deutschland Risiken der systematischen Untererfassung des Bedarfs an Haushaltsenergie und damit die Gefahr erheblicher Unterdeckungen des tatsächlichen Bedarfs“, so der Bundesrat.

EVS für Weiße Ware ungeeignet

Außerdem stellt der Bundesrat die Eignung der EVS für die sachgerechte Bedarfsermittlung von langlebigen und kostenaufwändigen Gütern (weiße Ware) in Frage. Derartige Waren werden selten gekauft, insofern fallen sie in vielen Fällen aus der Statistik. So seien über diesen Berechnungsweg monatlich Kleinstbeträge für die Anschaffung von Waschmaschine, Kühlschrank und Co. im Regelbedarf vorgesehen, mit denen ein Ansparen der hohen Kosten für diese Geräte kaum möglich sei. Auf Grund dessen sind Hartz IV Empfänger häufig gezwungen, ein Darlehen beim Jobcenter zu beantragen.

 „Es ist daher unverändert fragwürdig, die Kosten für Elektrogroßgeräte zu pauschalieren“, heißt es dazu in der Stellungnahme.

Dazu: Hartz IV Wahnsinn: 1,60 Euro im Regelsatz für eine Waschmaschine

Trotz der Kritik und der Infragestellung der EVS als geeignete Methode der Regelbedarfsermittlung, verweigert der Bundesrat seine Zustimmung zu dem Gesetz nicht, sondern schlägt lediglich Verbesserungen vor. Insofern ist fraglich, ob und inwiefern die angesprochenen Kritikpunkte auch wirklich korrigiert werden.

Update vom 30.11.2020: Der Bundesrat billigte die geplante Erhöhung des Hartz IV Regelsatzes in seiner Sitzung vom Freitag, den 27. November 2020.

Titelbild: Cineberg/ shutterstock.com