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Corona-Krise: Jobcenter muss auch Luxus-Mieten übernehmen

Umzugshelfer mit Gesichtsmasken

In der Corona-Krise übernimmt das Jobcenter die tatsächlichen Kosten der Unterkunft von Hartz IV Bedürftigen – das gilt auch für neuangemieteten Wohnraum.

Hartz IV schließt Kosten der Unterkunft ein

Die Hartz IV Leistungen schließen auch die Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) ein. Allerdings werden die KdU nur in angemessener Höhe übernommen, wobei die jeweilige Stadt oder Gemeinde vorgibt, welche Kosten als angemessen gelten.

Corona-Krise: Keine Prüfung der Wohnverhältnisse

Im März brachte die Regierung das Sozialschutzpaket I auf den Weg. Die darin enthaltenen Hilfsmaßnahmen sollten die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Corona-Krise abfedern. Darunter auch die Übernahme der tatsächlichen Wohnkosten bei Hartz IV für 6 Monate – ungeachtet ihrer Angemessenheit. Wie das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen kürzlich entschied, gilt die Regelung nicht nur für Bestandmieten, sondern auch Wohnraum, der neu angemietet wird (Urteil v. 29.09.2020, Az.: L 11 AS 508/20 B ER).

Ehepaar zieht in teures Haus

Dem Urteil zugrunde lag der Fall einer Familie im Hartz IV Bezug. Das Ehepaar und seine damals 4 Kinder lebte zunächst in einer 4-Zimmer-Wohnung im Raum Hannover. Kurz nach der Geburt ihres sechsten Kindes zog die Familie im September 2020 in ein Einfamilienhaus mit einer monatlichen Kaltmiete von 1.300 Euro. Die örtliche Angemessenheitsgrenze für Mietkosten liegt jedoch bei 919 Euro für einen Haushalt von acht Personen und so weigerte sich das Jobcenter, die Miete im Rahmen der KdU zu übernehmen – trotz Corona-Sonderregelung.

Dazu: Corona-Krise: Koalition verlängert vereinfachten Zugang zu Hartz IV

Gericht entscheidet zugunsten des Paares

Das wollte die Familie nicht auf sich sitzen lassen und zog in zweiter Instanz bis vor das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen: mit Erfolg. Das Gericht entschied, dass das Jobcenter die Mietkosten in voller Höhe übernehmen müsse.

Laut dem über das Sozialschutzpaket verabschiedeten Paragrafen 67 Abs. 3 SGB II sei die Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft durch das Jobcenter in der Corona-Krise vorübergehend zu gewährleisten. Diese Regelung greife auch dann, wenn die Wohnung zu teuer ist und gelte dabei nicht nur für Bestandswohnungen, sondern auch für neu angemieteten Wohnraum. Hierbei sei es nicht von Belang, ob der Umzug der Familie auf Corona zurückzuführen sei oder nicht.

Muss Jobcenter auch Luxusmieten zahlen?

Grundsätzlich ließe sich die Regelung der Kommentarliteratur folgend sogar auf besonders teure Luxus-Mieten anwenden, da es sich bei dem entsprechenden § 67 Abs. 3 SGB II um „unwiderlegbare Fiktion“ handele. Das Gesetz gibt also formal keine Grenze bezüglich der Höhe der durch das Jobcenter zu zahlenden Mieten vor. Es lässt sich lediglich eine zeitliche Begrenzung über die Befristung der Regelung bis Jahresende herleiten. Nach Ablauf dieser Frist treten die Richtlinien für die Angemessenheit der Wohnkosten wieder in Kraft, wobei es im Anschluss daran zu erheblichen Rückzahlungsforderungen durch die Jobcenter kommen kann.

Verfahrensgang:

LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 29.09.2020, Az.: L 11 AS 508/20 B ER

SG Hannover, Urteil v. 01.09.2020, Az.: S 7 AS 353/20 ER

Titelbild: Andrey_Popov/ shutterstock.com