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Hartz IV: Jobcenter muss für teurere Berufsbekleidung zahlen

Koch in Ausbildung schneidet

Wenn für den Unterricht eines Schülers der Berufseinstiegsklasse eine spezielle Berufsbekleidung nötig ist, welche nicht durch die Schulbedarfspauschale gedeckt werden kann, muss das Jobcenter die Mehrkosten erstatten. Eine Zweitausstattung ist davon ausgenommen, wenn der zwingende Bedarf nicht nachvollziehbar dargelegt werden kann. Mit diesem Urteil schließt das Gericht eine Regelungslücke.

Schüler benötigte Kleidung für Berufseinstiegsklasse

Geklagt hatte ein Schüler der Berufseinstiegsklasse „Lebensmittelhandwerk und Gastronomie“ vor dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen am 26.05.20 (L11 AS 793/18). Mit seiner Mutter und seinen beiden Geschwistern bezog der Schüler Hartz IV Leistungen. Für seinen Unterricht benötigte er ein „Berufseinstiegs-Set“ bestehend aus diverser Kleidung, welches 112,80 € kostete. Dazu kaufte er noch weitere Berufskleidung im Wert von 36,76 €, welche jedoch für die Unterrichtsteilnahme nicht zwingend erforderlich war.

Schulbedarfspauschale für Kosten nicht ausreichend

Zu Beginn der Teilnahme an der Berufseinstiegsklasse im Jahr 2016 wurden dem Schüler bereits die 100 € Höchstsatz für den Schulbedarf nach § 28 Abs. 3 SGB II in zwei Teilen bewilligt. Für den Start in den Unterricht benötigte er jedoch zusätzlich spezielle Berufsbekleidung, welche nicht von der Schule ausgeliehen oder finanziell gefördert werden konnte.

Berufsbekleidung ist Härtefallmehrbedarf

Das LSG gab dem Schüler Recht, dass es sich bei dieser speziellen Berufsbekleidung um einen Härtefallmehrbedarf handelt, der grundsicherungsrechtlich für schulpflichtige Hartz IV Empfänger relevant ist. Der Bedarf spezieller, teurerer Schul-Berufskleidung sei nur unzureichend im Regelbedarf nach § 20 SGB II erfasst und damit nicht komplett finanziell abgedeckt.

Regelungslücke wird geschlossen

Dadurch, dass es sich bei der Kleidung um eine einmalige Anschaffung handelt, sind diese Kosten auch nicht Bestandteil des § 21 Abs. 6 SGB II. Das LSG schließt die Regelungslücke durch eine verfassungskonforme Auslegung dieses Paragraphen und zahlt dem Schüler die Kosten des „Berufeinstiegs-Set“ im Wert von 112,80 € abzüglich 0,32 € (dem für den Bedarf „Bildung“ in der Regelbedarfsstufe 4 enthaltenen Teilbetrag).

Kosten für nicht nachvollziehbare Zweitausstattung ausgenommen

Der Bedarf für die Zweitausstattung sei von dem Schüler jedoch nicht nachvollziehbar dargelegt worden, sodass er die Kosten hierfür nicht erstattet bekomme.

Sozialgericht Hannover lehnte zuvor Kostenübernahme ab

Das Urteil ist eine Revision auf die Entscheidung vom Sozialgericht Hannover am 04.01.20, welches eine Übernahme der Kosten abgelehnt hatte. Die Schulbedarfspauschale von 100 € sei ausreichend, da die einmalig höhere finanzielle Belastung nur eine „Bedarfsspitze“ darstelle und die Berufskleidung nicht monatlich neu gekauft werden müsse. Nur eine Darlehensgewährung nach § 24 Abs. 1 SGB II komme in Frage.

Dabei bezieht sich das Gericht auf ein Urteil vom LSG am 11.12.17 (L11 AS 349/17), nach welchem ein teurerer Taschenrechner ebenfalls als „Bedarfsspitze“ eingestuft und keine zusätzlichen finanziellen Mittel genehmigt wurde.

Titelbild: goodluz /shutterstock.com