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Hartz IV: Mehrbedarf für Bio-Ernährung?

Bio-Gemüse

Eine krankheitsbedingte Ernährungsumstellung kann teuer sein: Laktose, Gluten und andere potentielle Reizstoffe sind in vielen Produkten enthalten, nur mit Mühe und dem nötigen Kleingeld kann man ihnen entkommen. Für Hartz IV Empfänger sind die damit verbundenen Kosten schwer zu stemmen und wie ein Urteil des Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg beweist, besteht nicht immer Anspruch auf Mehrbedarf.

Mehrbedarf nur bei medizinischer Notwendigkeit

Hartz IV Empfänger mit schweren Lebensmittelunverträglichkeiten können Anspruch auf Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung haben – allerdings nur unter bestimmten Bedingungen. Die Hauptvoraussetzung: Die Ernährungsumstellung muss medizinisch notwendig sein. Des Weiteren muss die besondere Ernährungsform von der Vollkost abweichen, da diese bereits mit dem Regelsatz abgedeckt ist. Als besondere Ernährungsform zählen entsprechend unter anderem:

  • Glutenfreie Kost
  • Dialysediät
  • Laktosefreie Kost
  • Antientzündliche Kost (etwa bei Morbus Chron oder Colitis ulcerosa)

Gericht entscheidet: Bio-Ernährung weicht nicht von Vollkost ab

Eine ausschließlich biologisch erzeugte Ernährungsweise rechtfertigt keinen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung. Dies entschied das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Anfang 2019 (Az: L 18 AS 626/17). Hintergrund war die Klage eines Hartz IV Empfängers aus Berlin. Der Mann ließ sich von seinem Arzt attestieren, dass er auf Grund einer „Nahrungsmittelunverträglichkeit konventionell erzeugter Lebensmittel, insbesondere der generell verwendeten Hilfsstoffe zur Konservierung und Geschmacksverstärkung“ lediglich biologisch erzeugte Lebensmittel vertrage, die ohne diese Hilfsstoffe angebaut wurden.

Jobcenter lehnte Antrag auf Mehrbedarf ab

Der Kläger beantragte den Mehrbedarf beim zuständigen Jobcenter. Das beklagte Jobcenter holte daraufhin die Meinung des Ärztlichen Dienstes ein, der einen Mehrbedarf für diese Ernährungsform aus medizinischen Gründen als nicht notwendig sah – und lehnte den Antrag ab. Daraufhin zog der Mann vor das Sozialgericht Berlin, doch auch das Gericht empfand den Antrag auf Mehrbedarf in Höhe von 150 Euro monatlich als unbegründet. Der Fall landete in letztendlich vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg.

LSG Berlin-Brandenburg entscheidet gegen Mehrbedarf

In seiner Entscheidung gegen einen Mehrbedarf des Klägers gemäß § 21 SGB II moniert das LSG vor allem, dass eine medizinische Notwendigkeit für die Ernährungsform nicht zweifelsfrei festzustellen sei. Das Attest des Arztes des Klägers gebe diese nicht her. Zum einen könne man dem Attest

„nicht nachvollziehbar entnehmen, da schon nicht konkret zu ersehen ist, gegen welche Stoffe im Einzelnen (welche) Unverträglichkeiten, zB Allergien, des Klägers bestehen sollen. Inwieweit ein Ursachenzusammenhang zwischen den im Einzelnen nicht bezeichneten Unverträglichkeiten und einer kostenaufwändigen Ernährung besteht, war daher ebenfalls nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellbar.“

Zum anderen

„besteht eine kostenaufwändige Ernährung iSd § 21 Abs. 5 SGB II grundsätzlich nur bei einer besonderen, von der Vollkost abweichenden kostenaufwändigeren Ernährung(sform). Die Ernährung mit biologisch erzeugten Lebensmitteln ist jedoch als solche keine von der Vollkost abweichende Ernährungsform.“

Das Gericht ließ zudem verlauten, dass auch im herkömmlichen Bereich unverarbeitete Lebensmittel zu kaufen sein, die keine Zusatzstoffe enthalten und damit eine Vollkost als Regelernährung ermöglichen. Der Klage wurde zurückgewiesen.

Vorinstanzen:

Sozialgericht Berlin, Urteil v. 17.02.2017, Az.: S 78 AS 9470/16

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil v. 23.01.2019 , Az.: L 18 AS 626/17 

Titelbild: leonori/ shutterstock.com