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Urteil: Vor Hartz IV Antrag Schulden mit Vermögen begleichen

Mann hält leere Geldbörse und sitzt an einem Tisch

Das Bundessozialgericht (BSG) entschied in einem Urteil vom 20.02.2020, dass Leistungsempfänger vorhandenes Geld zuerst zur Tilgung von Schulden verwenden können, bevor sie einen Antrag auf Hartz IV Leistungen stellen (Az: B 14 AS 52/18 R). Im Gegensatz zur Anrechnung von Einkommen gilt hierbei das sogenannte Monatsprinzip nicht, so steht Vermögen einer Leistungsbewilligung mitten im Monat nicht im Weg. Zu beachten ist nur, dass das Vermögen am Tag des Hartz IV Antrages nicht höher ist als der individuelle Freibetrag.

Mann erhält 12.000 Euro aus Lebensversicherung

Hintergrund für das Urteil war der Fall eines 50-jährigen Selbstständigen. Der Mann kündigte am 04. September 2013 seine Lebensversicherung und erhielt daraufhin rund 12.000 Euro gutgeschrieben. Da sich sein Konto etwa 5.400 Euro im Soll befand, konnte er letztendlich ca. 6.600 Euro Positivsaldo verbuchen. In den darauffolgenden Tagen wurden nochmals 1.000 Euro aus einer Beitragserstattung der Krankenversicherung auf sein Konto gebucht, wovon allerdings 600 Euro Unterhaltszahlungen abzuziehen waren. Als er am 19. September beim beklagten Jobcenter einen Antrag auf Hartz IV Leistungen stellte, hatte er 4.600 Euro auf seinen Konten.

Das Jobcenter lehnt Antrag auf Hartz IV ab

Das Jobcenter Berlin Marzahn-Hellerdorf lehnte den Antrag zur Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab. Zu Beginn des Monats habe er ein Vermögen von 12.000 Euro gehabt und lag somit deutlich über dem (damaligen) Freibetrag von 7.350 Euro. Dem „Monatsprinzip“ zufolge zählt das Vermögen des Antragsstellers bis hin zum Monatsersten, demnach habe der Mann keinen Anspruch – der Fall landete vor Gericht.

Bundessozialgericht urteilt im Sinne des Klägers

Deutschlands höchstes Sozialgericht nahm sich des Falles an und entschied im Sinne des Mannes. Das „Monatsprinzip“ gilt ausschließlich für die Anrechnung von Einkommen. Für das Vermögen eines Antragsstellers gilt hingegen ein „Alles-oder-Nichts“-Prinzip. Liegt das Vermögen am Tag der Antragsstellung über dem entsprechenden Freibetrag werden keinerlei Hartz IV Leistungen bewilligt, liegt es jedoch darunter, werden die vollen Hartz IV Leistungen ausgezahlt. Der Mann habe mit den 12.000 Euro aus seiner Lebensversicherung zunächst seine Schulden beglichen, wonach sein Freibetrag unterschritten wurde. Erst im Anschluss daran reichte er den Hartz IV Antrag ein, der ihm nach Auffassung der Kasseler Richter zu bewilligen ist.

Vorinstanzen:

Sozialgericht Berlin, Urteil v. 01.02.2017, Az.: S 162 AS 31079/13,
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil v. 15.11.2018, Az.: L 20 AS 575/17, 

Titelbild: Yingzaa_ST/ shutterstock.com