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Urteil: EU Ausländer können Anspruch auf Hartz IV haben

Gärtner schneidet Hecker

Menschen aus der ganzen Welt kommen in die Bundesrepublik, um Arbeit zu finden und gemeinsam zur stabilen wirtschaftlichen Lage Deutschlands beizutragen. EU-Bürger, die ohne Arbeit nach Deutschland kommen, haben jedoch keinen Anspruch auf Hartz IV Leistungen, wenn sie sich allein zur Arbeitssuche in der Bundesrepublik aufhalten. Im Falle eines bulgarischen Einwanderers entschied das Landessozialgericht Hessen in einem Urteil jedoch anders.

Landessozialgericht urteilt

Arbeitnehmer aus der Europäischen Union (EU) können Anspruch auf Hartz IV Leistungen haben, solange kein Missbrauch des EU-Freizügigkeitsrecht vorliegt. Dies entschied das Landessozialgericht Hessen in einem Beschluss vom 11.12.2019, der jetzt veröffentlicht wurde (Az.: L 6 AS 528/19 B ER). Ein solcher Verstoß liegt dem Urteil zufolge nicht vor, wenn der Betroffene durch eine Arbeitnehmertätigkeit seinen eigenen Bedarf fast vollständig allein decken kann.

Arbeitsunfall führt zu Krankengeld

Hintergrund für das Urteil war der Fall eines bulgarischen Ehepaars mit 2 minderjährigen Kindern. Die Familie reiste im Frühjahr 2019 nach Deutschland ein und erhielt zuerst finanzielle Unterstützung durch Verwandte und Kindergeld. Im Mai 2019 begann der 1996 geborene Mann eine Arbeit als Landschaftsgärtner und konnte so bei 80 Stunden Arbeit im Monat einen Bruttolohn von 850 Euro bzw. einen Nettolohn von 680 Euro erwirtschaften. Allerdings erlitt er schon 5 Tage nach seinem ersten Arbeitstag einen Arbeitsunfall, bei dem er sich seine Wange verletzte und eine Jochbeinfraktur rechts zuzog. Der Mann erhielt daraufhin Kranken- bzw. Verletztengeld anstelle seines üblichen Gehaltes, verblieb jedoch in einem Beschäftigungsverhältnis mit seinem Arbeitgeber.

Jobcenter lehnt Hartz IV Antrag ab

Der junge Mann beantragte wenig später Hartz IV Leistungen, da er den Bedarf und die Kosten der Unterkunft nicht aus eigenen Mitteln decken könne. Diesen Antrag lehnte das Jobcenter unter Verweis auf § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ab. Der Grund: Er habe keinen Anspruch auf Hartz IV nach dem Sozialgesetzbuch II, da er sich ausschließlich zum Zweck der Arbeitssuche in Deutschland aufhielte. Einzig Arbeitnehmer, bei denen kein Missbrauch des Freizügigkeitsrechts innerhalb der EU festzustellen ist, seien auch leistungsberechtigt. Der Mann und seiner Frau erhoben daraufhin Widerspruch gegen den Beschluss des Jobcenters und der Fall landete in zweiter Instanz vor dem Landessozialgericht Hessen.

Landessozialgericht entscheidet im Sinne des Ehepaars

Nachdem das Sozialgericht Wiesbaden den Antrag des Ehepaars auf eine einstweilige Anordnung abgelehnt hatte, sprach das Landessozialgericht Hessen letztendlich Recht. Der Mann sei durchaus berechtigt Hartz IV Leistungen in Anspruch zu nehmen. Er habe sich nicht fälschlicherweise auf das Freizügigkeitsrechts berufen und dieses auch nicht missbraucht. Der Mann konnte durch seine Tätigkeit als Arbeitnehmer seinen eigenen Bedarf fast alleine decken, lediglich die Inanspruchnahme von Wohngeld sei für eine vollständige Deckung des Bedarfs nötig gewesen. Das LSG Hessen hob den Beschluss des Sozialgerichts auf und sprach dem Mann Hartz IV Leistungen zu.

Vorinstanzen:

SG Wiesbaden, Beschl. v. 22.10.2019, Az.: S 34 AS 695/19 ER

Titelbild:  welcomia/ shutterstock.com