Sachsens Arbeitsagentur Chef Klaus-Peter Hansen war kürzlich bei verschiedenen Beschäftigungsmaßnahmen undercover im Einsatz. Unter anderem half er bei der Tafel aus, um zu erfahren, an welcher Stelle Unterstützung benötigt wird. Im Interview mit der Leipziger Volkszeitung spricht er über seine Erfahrungen und über die Themen Hartz IV, Sanktionen und Langzeitarbeitslosigkeit.
Inhaltsverzeichnis
Sachsens Arbeitsagenturchef im Undercover Einsatz
Vier Tage war Klaus-Peter Hansen (Sachsens Arbeitsagentur Chef) in mehreren Beschäftigungsmaßnahmen tätig. Ein Tag davon verbrachte er bei der „Tafel“, wo Ehrenamtliche Lebensmittelspenden an Bedürftige verteilen. Schüler, Hausfrauen, Arbeitende und Arbeitslose zeigen hier ihr Engagement für Menschen in schwierigen Situationen wie Empfänger von Grundsicherung, Geringverdiener, Alleinerziehende, Rentner und Asylsuchende. Das Ziel der Aktion sei gewesen, über Ehrenamtliche, deren Arbeit und vor allem über die Bedürftigen mehr zu erfahren.
Hansen erhält „Anschiss“ bei Tafel
Gegenüber der Leipziger Volkszeitung (LVZ) schildert Hansen seine Erlebnisse. Er hätte von anderen Mitarbeitern bei der Sortierung der Lebensmittel schon nach kurzer Zeit „Anschiss“ erhalten, da er zu viel der Spenden entsorgt habe, wodurch zu wenig für die bedürftigen Menschen überbleiben würde. Seine Erfahrungen sind zwiegespalten. Zum Einen sei er schockiert, dass selbst Leute die nichts haben, noch auf Leute „einhacken“ die überhaupt nichts haben. „Auch am unteren Ende der sozialen Skala geht es mitunter ziemlich ruppig zu“, sagt er gegenüber der Redaktion der LVZ. Andererseits würden sich die Hilfebedürftigen untereinander auch gut unterstützen. Besonders beeindruckt sei er von der Arbeit der Ehrenamtlichen gewesen.
„Erstaunt wie selbstständig Arbeitslose arbeiten“
An einem anderen Tag habe Hansen an einem Beschäftigungsprojekt teilgenommen. Darin hätten Arbeitslose freiwillige Arbeit in einem Mehrgenerationenhaus geleistet. „Ich war sehr darüber erstaunt, wie Arbeitslose im geschützten Bereich funktionieren, wie selbstständig sie arbeiten.“ Erschrocken habe ihn jedoch die Reaktion der Arbeitslosen, als er fragte, „warum sie ihr Talent nicht auf dem freien Markt einsetzen“.
„Keine drei Tage halte ich das aus“, soll eine Frau beispielsweise geantwortet haben. Viele der betroffenen hätten schlichtweg Angst vor dem echten Arbeitsalltag. Andersherum beständen Arbeitslosen gegenüber noch immer viele Vorurteile. „Ein Vorurteil lautet: Diese Menschen wollen doch gar nicht arbeiten“, erklärt der Agenturchef.
Sanktionen sind zeitgemäß
Trotz allem sei die Zahl der Arbeitslosen aber insgesamt gesunken, so Hansen. „Und glauben Sie mir, diese Menschen wollen zurück in ein selbstbestimmtes Leben. Dabei zu helfen braucht es nur eben mehr Zeit als bei Menschen, die vor Kurzem ihre Stelle verloren haben.“ Im selben Zuge lobt er das neue Teilhabechancengesetz.
Sanktionen hält Sachsens Arbeitsagenturchef übrigens für zeitgemäß und betont im Interview mit der LVZ: „Alle, die in das System einzahlen, haben einen Anspruch darauf, dass die, die daraus Leistungen beziehen, auch Pflichten haben.“ Bei Sanktionen handele es sich laut Hansen um Einzelfälle. „Durch die Klage und das BVG-Urteil hat das Thema eine Richtung bekommen, das es nicht verdient,“ sagt er und resümiert: „Sanktionen sind kein Allheilmittel. Aber Sanktionen nur als etwas Schlimmes, etwas Furchtbares anzusehen – diese Haltung kann man haben. Wir aber haben andere Erfahrungen gemacht.“
Titelbild: ARIMAG / shutterstock.com