Am heutigen Dienstag, den 05. November 2019, fällt in Karlsruhe am Bundesverfassungsgericht das Urteil über das Schicksal von Hartz IV Sanktionen. Das Team von HartzIV.org wird live vor Ort sein und über die Geschehnisse bei Gericht berichten. Doch steht wirklich das gesamte Sanktionssystem vor Gericht?
Inhaltsverzeichnis
Fordern ohne Fördern
Die Formel des Jobcenters lautete einst „Fördern und Fordern“. Wer einen zumutbaren Job ablehnt, muss mit Konsequenzen in Form von Leistungskürzungen rechnen. Mittlerweile kritisieren Sozialverbände, dass in der Praxis nichts vom „Fördern-Teil“ des Arrangements übergeblieben wäre: Die Jobcenter scheinen Sanktionen als Rohrstock für ihre zweifelhaften Erziehungsmaßnahmen zu nutzen. Allein im Jahr 2018 wurden in Deutschland rund 441.000 Leistungsbezieher mindestens einmal sanktioniert. Für die Jobcenter sind die Leidtragenden Namen im Computer oder auf Papier, für die Betroffenen bedeuten Sanktionen jedoch im schlimmsten Fall die Obdachlosigkeit.
Hartz IV Sanktionen bedrohen Existenzminimum
Grund für das anstehende verfassungsrechtliche Urteil über Sanktionen ist ein früheres Urteil des Sozialgerichts Gotha (Urteil v. 26.05.2015, Az.: S 15 AS 5157/14). Dem Sozialgericht lag der Fall eines Hartz IV Empfängers vor, der einige Arbeitsstellen abgelehnt habe und deshalb sanktioniert wurde. Im ersten Sanktionsschritt wurde ihm der Regelsatz von 391 Euro auf 270 Euro und im nächsten Schritt auf 150 Euro gekürzt. Das Sozialgericht befand die Sanktionspraxis für unvereinbar mit dem Grundgesetz, da das menschenwürdige Existenzminimum nicht unterschritten werde dürfe – auch nicht durch Sanktionen.
Worüber genau wird geurteilt?
Die Karlsruher Richter entscheiden morgen über verschiedene Elemente des Sanktionssystems.
Pflichtverletzungen
Gegenstand des morgigen Urteils sind vor allem Pflichtverletzungen nach §31 im SGB II. Leistungsberechtigte verletzen nach geltendem Recht ihre Pflicht, wenn sie sich weigern, eine zumutbare Arbeit anzunehmen oder eine Maßnahme abbrechen.
Harte Sanktionen für U-25-Jährige
Außerdem soll darüber geurteilt werden, ob die besonders harte Sanktionspraxis für unter 25-Jährige weiterhin bestehen bleiben soll. Bisher wurde diese Altersgruppe bereits bei der ersten Pflichtverletzung um 100 Prozent sanktioniert. Karlsruhe entscheidet nun, ob dieses Verfahren verfassungsmäßig ist.
Kein Urteil über Meldeverstöße
Meldeverstöße stellen die Grundlage für rund 75 Prozent aller Sanktionen dar. Allerdings werden gerade diese Verstöße morgen nicht verhandelt, sie bleiben aller Voraussicht nach weiterhin als Sanktionsgrund bestehen.
HartzIV.org ist live vor Ort
Könnte ein Urteil gegen Hartz IV Sanktionen das gesamte System ins Wanken bringen? Das wird sich zeigen. Allerdings wäre es eine große Überraschung, wenn Sanktionen in ihrer bisherigen Form weiterhin bestehen bleiben. Das Team von HartzIV.org wird morgen am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe an der Urteilsverkündung teilnehmen und Sie über alle Entwicklungen auf unserer Facebookseite informieren.
Titelbild: Giovanni Randisi/ unsplash.com