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Jobcenter Chef rechnet mit Hartz IV ab

Hartz IV wird von allen Seiten scharf kritisiert – dass sich jetzt aber ein Jobcenter-Chef höchst persönlich den Kritikerstimmen anschließt, war jedoch nicht zu erwartet. Gegenüber dem Hamburger Abendblatt macht er seinem Ärger Luft.

„Hartz IV einer konstruktiv-kritischen Bilanz unterziehen“

Wir werden Hartz IV hinter uns lassen“, eröffnete die SPD noch vor einigen Monaten unter Führung von Andrea Nahles. Seitdem hat sich nicht viel bewegt, außer der Rücktritt der ehemaligen Parteichefin. Kritik aus den eigenen Reihen wird jedoch immer wieder laut. Aktuell äußert sich Dirk Heyden, Leiter des Hamburger Jobcenters, über das Hartz IV System und fordert grundlegende Änderungen.

Zwar betont Heyden gegenüber dem „Hamburger Abendblatt“: „Wenn Sie mich nach meiner persönlichen Meinung fragen: Unser Sozialstaat ist richtig gut, auch im europäischen Vergleich.“ Doch legt er direkt hinter her: „Und dennoch, nach knapp 15 Jahren wünschte ich mir, dass wir unsere Grundsicherung, umgangssprachlich ,Hartz IV’, einer konstruktiv-kritischen Bilanz unterziehen, weil sich die Rahmenbedingungen komplett verändert haben.“

Jobcenter Chef wünscht sich Kinder-Grundsicherung

Grundsätzlich seien die gesetzlichen Regelungen aber zu kompliziert ausgestaltet. „Im Jobcenter verursacht dies sehr hohen Aufwand und für unsere Bürger ist es teilweise schwer verständlich. Mehr als die Hälfte meiner Mitarbeiter kümmern sich um die Auszahlung der Mieten, Nebenkosten und anderer Leistungen und müssen dafür von ihren Kunden regelmäßig sämtliche Nachweise verlangen.“

Außerdem wünscht sich Heyden, dass Kinder aus Hartz IV genommen werden, da das System für erwerbsfähige Erwachsene ausgelegt sei. Sein Vorschlag: Eine einkommensabhängige Kinder-Grundsicherung. „Dann würden alleine in Hamburg 60.000 Kinder der Gefahr einer möglichen Stigmatisierung entgehen, weil sie aus einem ,Hartz IV’-Haushalt kommen“, erklärt der Jobcenter Chef. Zudem müsse Kindergeld endlich unabhängig von anderen Leistungen und ohne Anrechnung auf Hartz IV gezahlt werden.

Mehr Gerechtigkeit im Hartz IV System

Ein weiteres Problem: Der Begriff Leistungsfähigkeit bzw. Erwerbsfähigkeit sei falsch definiert. In § 8 (1) SGB II heißt es nämlich: Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. „Aber solche Arbeitsplätze gibt es nicht,“ sagt Dirk Heyden.

Insgesamt fehle schlichtweg die Gerechtigkeit im System. „Auch die Kassiererin im Supermarkt, die mit ihren Steuern die soziale Sicherung mitfinanziert, muss unser Sozialsystem als gerecht empfinden. Ich erhoffe mir von einer Weiterentwicklung des Gesetzes, dass wir mehr Anreize bieten können, einer Beschäftigung nachzugehen.“ Und betont „Die Menschen möchten arbeiten und ihren Beitrag für die Gesellschaft leisten.“

Übrigens: Den Vorwurf der Initiative „Sozialstart Jetzt“, dass das Jobcenter Hamburg knapp 30 Millionen an Bundesgeldern verfallen lassen würde, weist der Leiter gegenüber dem Hamburger Abendblatt von sich. „Wir reden von Steuergeld, mit dem wir verantwortlich umgehen müssen“, erklärt er. Die Mittel seien vollständig für die Förderung von Langzeitarbeitslosen eingesetzt.   

Titelbild: Marcos Mesa Sam Wordley / shutterstock.com