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Hartz IV: Jobcenter vermitteln ins Rotlichtmilieu

Bordell in Hamburg

„Aufgeschlossenheit“ und „Erfahrung im Verkauf“ von Vorteil heißt es in Stellenanzeigen, die das Jobcenter an arbeitslose Frauen weitergeleitet hat. Tatsächlich werden hier Hartz IV Empfängerinnen ins Rotlichtmilieu vermittelt. 

Zwangsarbeit im Rotlichtmilieu

Die Lausitzer Allgemeine Zeitung greift aktuell mehrere unglaubliche Fälle auf, in welchen Jobcenter Frauen ins Rotlichtmilieu vermittelt haben. In einem Fall sollte eine 19-jährige an der Bar in einem Bordell arbeiten (Bericht des Spiegels vom 06.02.2013). Die Anzeige sei „versehentlich“ an das Mädchen weitergeleitet wurden.

In einem anderen Fall wurde einer Frau aus Berlin vom Jobcenter die Arbeit in einem Sexshop auferlegt. In der  Rechtsfolgenbelehrung wurde sie darauf hingewiesen, dass sie bei Ablehnung des Jobs eine Hartz IV Kürzung um 60 Prozent befürchten müsse. „Bewerben Sie sich bitte umgehend schriftlich oder per E-Mail. Alternativ stellen Sie sich bitte umgehend persönlich vor“, hieß es in einem Schreiben des Jobcenters (Bericht des Berliner Kuriers vom 30.05.2017).

Interne Anweisung der BA: Clusterung nach Tätigkeiten

„Sex sells gilt nicht für Jobcenter. Niemand muss sich in den Sex-Shop vermitteln lassen, wenn er oder sie nicht will“, sagte Katja Kipping, Linken Vorsitzende, gegenüber dem Berliner Kurier. Nach letzterem Vorfall reagierte auch die Bundesagentur für Arbeit und versuchte zu beschwichtigen. Eine interne Anleitung mit dem Titel „Fachliche Hinweise zur Vermittlung in Sonderfällen“ wurde teilweise öffentlich und offenbarte, dass es sich um keine Einzelfälle handeln kann. Die Agentur für Arbeit gibt darin zu: „Die BA befindet sich in der Thematik „Vermittlung im erotischen Bereich“ auf einer Gratwanderung.“

Die Berliner Zeitung erklärt:

„In einer dieser Zeitung vorliegenden „Clusterung von Tätigkeiten in Bezug ihrer Nähe zum erotischen Gewerbe“ hat die BA-Zentrale sechs Kategorien aufgelistet, welche Stellenangebote vermittelt werden dürfen. Bei Cluster 1 („Prostitution“) ist der Fall ebenso klar wie bei „Direkten erotischen Dienstleistungen“ (z.B. Modell für einen Escortservice, erotische Massagen usw.,), Cluster 2: keine Veröffentlichung in der Stellenbörse, keine Vermittlung. … Als unproblematisch werden die Cluster 4 bis 6 erachtet, wozu etwa die Filialleitung im „Vertrieb erotischer Waren“ gehört – mit einer Ausnahme: Nicht jedes Nein zum Job soll sofort zu Sanktionen führen.“

Trotz der Kritik, schließt die Agentur für Arbeit die Sanktionierung also scheinbar nicht vollständig aus („Nicht jedes Nein…“).

„Verwaltung als Zuhälter der Prostituierten“

Zwar vermittelt das Jobcenter laut interner Anweisung nicht in Cluster 1 (Prostitution), doch von der Empfangsdame, zur Masseurin bis hin zur offenen Prostitution sind die Grenzen in der Branche oft fließend und der Weg in die organisierte Kriminalität meist nicht weit. Das Amt vermittelt trotzdem weiter in das zwielichtige Milieu und der soziale Staat beschränkt seine Handlung in dem Bereich größtenteils aufs Kassieren von Steuern, Abgaben und Gebühren für Beratungen und Untersuchungen.

„Ein Graubereich stellt die dritte Kategorie („Unterstützung erotischer Dienstleistungen“) dar. In der Praxis ist die Abgrenzung von eindeutig beschriebenen Tätigkeiten in der Prostitution oder direkten erotischen Dienstleistungen zu angrenzenden oder Mischtätigkeiten im Erotikbereich häufig schwierig“, wird das interne Schreiben der BA im Berliner Kurier weiter zitiert.

Damit bleibt es unwahrscheinlich, dass die Jobvermittlung ins Rotlichtmilieu Zufall oder Einzelfälle sind. Ob dem Ganzen jemals ein Riegel vorgeschoben wird, ist leider ungewiss. Die Lausitzer Allgemeine Zeitung zitiert zudem ganz zutreffend Kristin Kaufmann von der Linken, die befürchtet, dass „die Verwaltung zum Zuhälter der Prostituierten wird“.

Titelbild: ilolab / shutterstock.com