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Hartz IV: Amt fordert unzulässige Schweigepflichtentbindung

Frau beim Arzt

Hartz IV Empfänger müssen beim Amt bereits (zu) viel über ihr Leben preisgeben. Zudem sind die Regelungen und das Vorgehen der Jobcenter oft grenzwertig und nicht immer nachvollziehbar. Warum die Bundesagentur für Arbeit von kranken Leistungsbeziehern aber verlangen will, dass sie ihren behandelnden Arzt von der Schweigepflicht entbinden, bleibt ein Rätsel…

Entbindung von ärztlicher Schweigepflicht

Manch kranken Hartz IV Empfängern steht der Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung (§ 21 Abs. 5 SGB II) zu. Dafür muss der Betroffene die Anlage MEB ausfüllen. Soweit so gut. Doch direkt zu Beginn der zweiten Seite stolpert der Leser über den Absatz „Ärztliche Bescheinigung“. Hier wird vom Betroffenen das Einreichen einer ärztlichen Bescheinigung verlangt, sowie die Entbindung des Arztes von seiner ärztlichen Schweigepflicht. „Ich entbinde die ausstellende Ärztin/den ausstellenden Arzt von der ärztlichen Schweigepflicht“, heißt es wortgetreu in der Anlage.

Zwar sei die Einwilligung freiwillig, doch wird hier der Eindruck vermittelt, dass beide Angaben aneinander gekoppelt sind und somit der Antragsteller zur Unterschrift verleitet wird. Weder Zweck und Umfang, noch eine zeitliche Begrenzung sind für die Schweigepflichtentbindung angegeben. Folglich könnte das Jobcenter zu jeder Zeit und unbegrenzt alle medizinischen Daten abfragen – unabhängig davon, ob sie für den beantragten Mehrbedarf relevant sind oder nicht.

Verstoß gegen Datenschutz

Wieso das Jobcenter über die ärztliche Bescheinigung hinaus weitere persönliche medizinische Daten benötigen sollte, ist nicht nachvollziehbar. Außerdem schreibt die DSGVO (Datenschutzgrundverordnung) und SGB X für Schweigepflichtentbindungen inhaltliche Pflichtangaben vor. Dazu gehören Angaben zur Art und Zweck der Datenerhebung sowie der Datenverarbeitung. Außerdem muss der Antragsteller schriftlich über sein Widerspruchsrecht aufgeklärt werden (§ 67a SGB X, Art. 14 DSGVO, § 67b Abs. 2 S. 2 SGB X i.V.m. Art. 7 Abs. 3 DSGVO). Die Angaben sind auf der Anlage nicht vorhanden.

Statt der allgemein gültigen Bescheinigung und der rechtswidrigen Schweigepflichtentbindung, würden regelmäßige Kurzattests des behandelnden Arztes ausreichen, um die Erforderlichkeit der speziellen Ernährung zu bescheinigen. Die Bundesagentur für Arbeit sollte damit aufgefordert sein, den genannten Part aus der Anlage MEB zu entfernen.

Anlage-MEB-Ernährung-Schweigepflichtentbindung
Ausschnitt aus der Anlage MEB

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Titelbild: S_L / shutterstock.com