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Sozialgericht: Arbeitslose können sinnlose Maßnahmen ablehnen

Das Sozialgericht Leipzig hat ein wegweisendes Urteil zu Gunsten von Arbeitslosen erlassen. Verhandelt wurde, ob Arbeitslose jede von der Arbeitsagentur angeordnete Maßnahme hinnehmen oder mit Sanktionen rechnen müssen. 

Im vorliegenden Fall klagte eine 61-jährige Frau aus Schkeuditz, die von der Agentur für Arbeit Oschatz betreut wird. In den Jahren 2005 bis 2014 war Monika M, die Diplom-Wirtschaftsingenieurin ist, ununterbrochen als Buchhalterin angestellt, bis sie betriebsbedingt ihren Job verlor. Anspruch auf das Arbeitslosengeld I hat die Frau noch bis zum Frühjahr 2017.

Von der Arbeitsagentur Oschatz wurde die Arbeitslose zu einer Kompakt-Maßnahme verdonnert, in der sie Einblicke in verschiedene Jobs erhalten sollte.  So sollte sie in Holztechnik, Pflegehilfe, Metall, Farbe, Lager sowie Garten- und Landschaftsbau hineinschnuppern. Wie die diplomierte Ingenierin selbst sagt, empfand sie die Maßnahmen zu einer „künftigen Vogelhäuschen-Erbauerin“ oder Pflegehilfskraft als „reine Schikane“. Daher nahm sie an den besagten Kursen nicht teil, obwohl sie von der Arbeitsagentur verpflichtet wurde. Auch wies man seitens der Behörde ihre Widersprüche gegen diese Maßnahmen zurück. Schlussendlich wurde der Fall dann vor dem Sozialgericht verhandelt.

Vor Gericht hatte sie Erfolg. „Es ist gerichtsbekannt, dass für Buchhalter – sogar für angelernte – eine gute Arbeitsmarktlage besteht“, so das Sozialgericht in seiner Urteilsbegründung. Die Richter stellten fest, dass die von der Arbeitsagentur angeordnete Kompakt-Maßnahme die Eingliederung nicht vorantreiben würden. Nach Auffassung des Gerichts sei die Zuweisung der Buchhalterin in die genannten Maßnahmen als „rechtswidrig“. Die auferlegten Maßnahmen müssen zum Profil des Erwerbslosen passen.

Erstmalig hatte damit ein Sozialgericht entschieden, dass Erwerbslose sich nicht erst gegen etwaige Leistungskürzungen bzw. -sperrungen wehren müssen sondern bereits auch primär Rechtschutz gegen Sinnlos-Maßnahmen genießen, so der Anwalt der Schkeuditzerin, Sebastian E. Obermaier.

„Hätte ich mich nicht gewehrt und vor Gericht geklagt, wäre mir das Arbeitslosengeld I gesperrt worden“, so die 61-Jährige nach der Entscheidung. Mit ihrem Vorgehen möchte die Frau auch andere ermutigen, sich keine unpassenden und sinnlosen Maßnahmen von den Arbeitsagenturen aufdrängen zu lassen.

Entwürdigende Maßnahmen

Während sich die zuständige Arbeitsagentur nicht zum Fall äußerte, begrüßte die Leipziger Kirchliche Erwerbsloseninitiative die Entscheidung des Sozialgerichts. „Wir können bestätigen, dass die Zumutbarkeitsregeln oft sehr restriktiv gehandhabt werden – vor allem vom Leipziger Jobcenter“, erklärte die Leiterin Dorothea Klein. „Gerade ältere Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, empfinden es als entwürdigend, wenn sie im Aktivierungskurs lernen sollen, dass man pünktlich zum Dienst erscheint, wie man seine Körperpflege betreibt oder richtig kocht.“

Hartz IV Leistungsempfänger besonders betroffen

Die häufigsten Probleme und unsinnigsten Maßnahmen müssen leider Empfänger von Hartz IV Leistungen über sich ergehen lassen. So sind in den letzten Jahren Meldungen aufgetauscht, wonach Betroffene mehrfach nahezu identische Kurse machen mussten, immer wieder. Gerne werden Leistungsempfänger auch zu Motivationskursen geladen, wo sie sich beispspielsweise vorstellen müssen, was sie alles auf eine einsame Insel mitnehmen würden. Ebenfalls sind Fälle ans Licht gekommen, wo Hartz IV Empfänger zu Motivationszweckenfür mehrere Stunden ins Fitnessstudio geschickt wurden oder an Theaterspielen teilgenommen haben. Auch das Ausführen von Lamas ist mittlerweile auf der Liste der unsinnigsten Eingliederungsmaßnahmen durch die Jobcenter.

Wir können daher nur jedem Betroffenen raten, sich gegen völlig sinnlose Maßnahmen zu wehren und auf das persönliche Profil abgestimmte Eingliederungsmaßnehmen fordern. Das Urteil des Sozialgerichts Leipzig kann hier bereits als Grundlage genutzt werden und sollte beim Amt auch mit dem Aktenzeichen genannt werden.

Sozialgericht Leipzig – Az.: S 1 AL 251/15