Das Jobcenter darf nicht einfach Hartz IV Leistungen zurückfordern und diese mit „sozialwidrigem Verhalten“ vor dem Leistungsbezug rechtfertigen.
Vor Hartz IV 130.000 Euro verbraucht
Im konkreten Fall ging es um einen Hartz IV Antragsteller, der in den letzten zwei Jahren vor dem Hartz IV Antrag gut 130.000 Euro verbraucht hatte und anschließend Grundsicherung beantragte.
Der 41-Jährige, der am Asperger-Syndrom leidet, hatte im Jahr 2010 seine Eigentumswohnung für 136.000 Euro verkauft. Am 05. April 2012 hatte er nahezu das gesamte Geld aufgebraucht und stellte wegen Mittellosigkeit einen Hartz IV Antrag beim zuständigen Jobcenter. Er teilte dem Leistungsträger mit, dass lediglich 4.000 Euro vom Verkaufserlös übrig seien und er 40.000 Euro für eine neue Wohnungseinrichtung aufgewendet hätte. Der Rest des Vermögens sei mit der Zeit verlebt worden. Zudem erklärte er gegenüber dem Jobcenter, dass er aufgrund seiner Erkrankung nicht mit Geld umgehen könne.
Zunächst bewilligte das Jobcenter Hartz IV Leistungen, forderte diese jedoch nach einem Jahr wieder zurück. Die Behörde warf dem Leistungsempfänger vor, er hätte seine Hilfebedürftigkeit „grob fahrlässig“ herbeigeführt, indem er sein Vermögen verschwendet hätte. Das Jobcenter wollte einen „luxuriösen Lebensstil“ mit monatlichen Ausgaben von 3.550 Euro vor der Antragstellung nicht tolerieren.
Schlussendlich landete der Fall beim Sozialgericht und das Jobcenter wurde in die Schranken gewiesen.
Rückforderung des Jobcenters rechtswidrig
Das Sozialgericht Düsseldorf stellte klar, dass Nicht-Hilfebedürftige mit ihrem Geld nach eigenem Ermessen umgehen können und nicht verpflichtet seien, bei ihren Ausgaben eine mögliche Abhängigkeit von Sozialleistungen hinauszuzögern. Anderenfalls, so das Gericht, würden die Regelungen des § 34 Abs. 2 SGB II nicht nur für Hilfebedürftige sondern auch für weite Teile der Bevölkerung gelten, die nicht von Hartz IV Leistungen abhängig sind. Und eben diese Praxis sei nach Ansicht der Sozialrichter nicht mit dem Artikel 2 Grundgesetz vereinbar.
Zwar müsse nach dem Gesetz Derjenige Hartz IV Leistungen erstatten, wer „ohne wichtigen Grund und grob fahrlässig“ seine Hilfebedürftigkeit herbeigeführt habe. Allerdings gebe es gleichzeitig einen gesetzlichen Anspruch auf „existenzsichernde und bedarfsabhängige Leistungen“ und zwar „regelmäßig unabhängig von der Ursache der entstandenen Notlage und einem vorwerfbaren Verhalten“. Im aktuellen Streitfall sei ein grob fahrlässiges Verhalten aber nicht erkennbar. Selbst wenn man dem Leistungsbezieher unterstellen würde, er hätte vor der Hartz IV Antragstellung mit monatlichen Ausgaben von 3.550 Euro einen luxuriösen Lebensstil gelebt.
Anders wäre der Fall gelagert, wenn der Leistungsempfänger sein Geld mit dem Ziel ausgegeben hätte, möglichst schnell Hartz IV Leistungen zu erhalten, so die Argumentation der Düsseldorfer Richter. Ein solches Verhalten sei hier nicht erkennbar und daher gebe es keinen Anlass zur Prüfung eines Schadenersatzanspruchs nach § 34 SGB II.
Sozialgericht Düsseldorf – Az.: S 35 AS 257/15 – vom 31.08.2015