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Sozialgericht: Kein Hartz IV für EU-Bürger auf Arbeitssuche

Ein Urteil des größten Sozialgerichts in Deutschland sorgt aktuell für Aufsehen. Die 149. Kammer des Sozialgerichts (SG) Berlin entschied mit Urteil vom 11.12.2015 (S 149 AS 719/13), dass einem Unionsbürger, der lediglich ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche hat, weder ein Anspruch auf Hartz IV noch auf Sozialhilfe nach dem SGB XII zusteht.

SG Berlin stellt sich gegen das Bundessozialgericht

Diese Entscheidung ist insbesondere deshalb bemerkenswert, da sich das SG Berlin mit seinem Urteil gegen die jüngste Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG Az: B 4 AS 44/15 R und B 4 AS 59/13 R) stellt.

Geklagt hatte ein 1980 geborener Bulgare, der sich zur Arbeitssuche in Deutschland aufhält und seinen Anspruch auf Leistungen aus dem SGB II geltend machen wollte. Der Kläger lebt seit 2010 bei seiner Mutter in Berlin und ging bis Ende 2013 keiner Beschäftigung nach, heißt es in der offiziellen Pressemitteilung des Sozialgerichts.

Jobcenter lehnte Anspruch auf Leistungen ab

Der bulgarische Staatsangehörige stellte im Februar 2013 einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, der jedoch abgelehnt wurde. Das Jobcenter war der Auffassung, dass das SGB II Leistungen für EU-Bürger ausschließt, die sich lediglich zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten.

Berliner Richter stimmen Jobcenter zu

Diese Rechtsauffassung teilt auch die 149. Kammer des Sozialgerichts Berlin. Die Berliner Richter kamen zu dem Ergebnis, dass der Kläger im relevanten Zeitraum keine Arbeitsbemühungen hat erkennen lassen und folglich höchstens ein Aufenthaltsrecht zur Arbeitssuche hatte. Leistungen nach dem SGB II seien somit ausgeschlossen gewesen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) und das BSG hätten bereits entschieden, dass ein solcher Leistungsausschluss mit dem Europäischen Unionsrecht vereinbar sei, vgl. EuGH, 15.9.2015 – C-67/14.

SG Berlin lehnt auch Anspruch auf Sozialhilfe ab – Kläger erwerbsfähig

Dem Kläger steht nach Meinung des SG Berlin auch kein Anspruch auf Sozialhilfe zu. Einen solchen Anspruch sieht das Sozialhilferecht (vgl. § 21 S. 1 SGB XII) an sich nur für Personen vor, die dem Grunde nach nicht erwerbsfähig sind. Der Antragsteller fällt somit nach Auffassung des Gerichts erst gar nicht in den Regelungsbereich des SGB XII.

Konfrontationskurs mit dem Bundessozialgericht

Damit geht das SG Berlin klar auf Konfrontationskurs mit den jüngsten Entscheidungen des Bundessozialgerichts. Dies hatte erst Anfang Dezember entschieden, dass Unionsbürgern zwar kein Hartz-IV zustünde, aber sie nach einem mindestens sechsmonatigen Aufenthalt berechtigt sind, Sozialhilfe zu beanspruchen.

Die Berliner Richter sehen dies allerdings gänzlich anders und werfen in der Urteilsbegründung den höchsten Sozialrichtern in Kassel vor, „verfassungsrechtlich nicht haltbar“ geurteilt und zudem das Prinzip der Gewaltenteilung durchbrochen zu haben.

Gefahrlose Rückkehr für Unionsbürger möglich – Staatliche Unterstützungsleistung in der Heimat

Der Berufsrichter und seine zwei ehrenamtlichen Kollegen führten in ihrer Urteilsbegründung weiterhin aus, „dass es Unionsbürgern regelmäßig möglich sei, ohne drohende Gefahren für hochrangige Rechtsgüter in ihr Heimatland zurückzukehren und dort staatliche Unterstützungsleistungen zu erlangen“.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Kläger kann das Urteil mit der Berufung beim Landessozialgericht in Potsdam anfechten.