Ein Hartz-IV-Empfänger aus Gera hat ein anonymes Beschwerdeschreiben an die Ostthüringer Zeitung (OTZ) geschickt und damit eine Debatte verursacht. Hintergrund sind angebliche Zwangsvorstellungen von Arbeitslosen bei dem Onlinehändler Zalando, ihnen wurden Beschäftigungsmöglichkeiten am Standort Erfurt angeboten.
In einem Bericht in der Thüringer Zeitung vom 21.01.2015 heißt es, dass bereits im Dezember ein „Zalando-Tag“ im Geraer Jobcenter stattgefunden hat. Zu diesem wurden Langzeitarbeitslose durch einen Brief eingeladen, in dem angedroht wurde, dass ein Nichterscheinen zu dem Termin mit einer dreimonatigen Leistungskürzung von 10% führen würde. Von den 202 eingeladenen Hartz-IV-Empfängern sind 119 zu der Informationsveranstaltung erschienen. Unter den 39 Interessenten gab es 14 Personen, mit denen ein Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde.
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Ärger über Vorgehensweise
Der Schreiber des Beschwerdebriefs bezeichnet diese Art der Jobvermittlung als Maßnahme „um den Arbeitskräfteverschleiß von Zalando in Erfurt zu decken“, so die Zeitung. Laut dem anonymen Beschwerdeverfasser sei mit einer 30-prozentigen Kürzung des Arbeitslosenlosengeldes II gedroht worden, wenn die Teilnehmer der Veranstaltung nicht bereit wären, die Tätigkeit aufzunehmen. Während des Events hätten sich Mitarbeiter von Jobcenter und Zalando vor der einzigen Tür im Raum positioniert und „bewachten in Reihe stehend den Raum während der gesamten Zeit“.
Arbeitsbedingungen seien nicht zumutbar
Den Hartz-IV-Empfängern aus Gera wurde eine Anstellung im Logistikzentrum der Zalando-Niederlassung in Erfurt angeboten. Der Brutto-Lohn beträgt bei einer 40-Stunden-Woche 1567 Euro, die Arbeitsverträge mit einer Probezeit von sechs Monaten sind auf ein Jahr befristet. Nach zwei Jahren wäre eine unbefristete Beschäftigung möglich. Als besonders belastend wird vom Beschwerdeverfasser der sich durch eine Anstellung ergebende Tagesrhythmus empfunden. Bei einer Abfahrt in Gera um 4 Uhr morgens wären die Angestellten zwischen 16:30 und 17 Uhr wieder zurück und müssten bald wieder schlafen gehen. „Schlafen, arbeiten, essen, schlafen und wieder arbeiten“, so die Prognose des anonymen Schreibers. Er oder sie wirft der Arbeitsagentur vor, dass diese einen Umzug der Erwerbslosen nach Erfurt erwirken wolle. So würden sie nicht mehr die Geraer Statistik belasten, wenn die Tätigkeit bei Zalando abbricht.
Jobcenter widerspricht Vorwürfen
Carsten Rebenack, Sprecher der Arbeitsagentur Altenburg-Gera, widerlegt diese Aussagen. Umzugshilfe sei nicht gewährt worden. Auch habe es nach der Info-Veranstaltung zehn Minuten Zeit gegeben, um über eine Entscheidung nachzudenken. Wer sich gegen eine Beschäftigung bei Zalando entschieden hatte, für den hätte es keine Konsequenzen gegeben. Auch den Vorwurf, dass Zalando für jede Vermittlung bezahlt werde, wies er zurück.
Rebenack hebt die niedrigen Anforderungen der Tätigkeit hervor: „Mitarbeiter müssen gut zu Fuß sein, die Anweisungen des Vorarbeiters verstehen und ein Smartphone bedienen können“. Den Angestellten würden vermögenswirksame Leistungen, Weihnachts- und Urlaubsgeld zustehen. Zudem wird ihnen nach sechs Monaten ein Rabattgutschein über 40% für einen maximalen Einkaufswert bis 800 Euro ausgestellt. Die Fahrtkosten in Höhe von 200 Euro für die Strecke zwischen Gera und Erfurt würde in den ersten sechs Monaten die Arbeitsagentur übernehmen. Die Angestellten könnten mit einem Linienbus fahren, der passend zu den Arbeitszeiten an mehreren Haltestellen in Gera abfährt.
Zwiegespaltene Meinungen
Laut einem Bericht der Thüringer Zeitung vom 22.01.2015 gibt es Lesermeinungen, die den Arbeitsweg für zumutbar und angebracht halten, vor allem angesichts der schlechten Arbeitslage in der Region. Auch Rebenack betrachtet das Jobangebot als eine Chance für Hartz-IV-Empfänger. Andere wiederum halten den Lohn für zu gering bemessen. Bei einem vom Jobcenter angegebenen durchschnittlichen Leistungsbetrag von 740 Euro würden die Beschäftigten als Einstiegsgehalt etwa 1000 Euro netto verdienen.