Um das Wohnungsproblem in der Bundeshauptstadt zu bekämpfen, fordert FDP-Politiker Lars Lindemann (43), dass Hartz IV Empfänger aus der Innenstadt an den Stadtrand ziehen sollen.Bis zum Jahr 2025 werden in Berlin jedes Jahr 10.000 neue Wohnungen benötigt. Nachdem nun die Pläne zur Randbebauuung am Tempelhofer Feld gescheitert sind, will der Berliner Senat Baulücken innerhalb des S-Bahn-Rings, den Trendbezirken der Innenstadt, schließen. Aber eben in diesen „Trendbezirken“ ist kein Wohnraum für Hartz IV Bezieher vorgesehen, abgesehen davon, dass er nicht bezahlbar wäre. Hier argumentiert Lindemann gegenüber der „BILD“: „Das Prinzip ‚In Mitte geboren – in Mitte gestorben‘ darf es nicht geben.“
Seinem Wortlaut kann man entnehmen, dass sich das Vorstandsmitglied der Berliner-FDP für eine Zwei-Klassen-Gesellschaft ausspricht. Es passt nicht in sein Bild, dass Hartz IV Empfänger und Botschafter in einer Straße leben könnten. „Jemand, der von Sozialhilfe lebt, kann nicht denselben Anspruch haben, wie jemand, der sein Geld selbst verdient“, so der Liberale gegenüber der Zeitung.
Der Politiker betrachtet die Lage aus ökonomischer Sicht und ohne Rücksicht auf finanziell schwächer gestellte oder Sozialleistungsempfänger. Dabei macht er im Interview darauf aufmerksam, dass Investoren aus der Wohnungsbauwirtschaft ihr Geld zurück haben möchten, dies aber mit den Hartz IV Sätzen nicht realisierbar sei. Schon jetzt sind Wohnungen in der Innenstadt vielfach für Hartz IV Bezieher unbezahlbar. Lindemann meint, Geringverdiener auf andere Stadbezirke als Mitte – in denen die Mieten geringer sind – aufmerksam zu machen, sei „doch keine Zumutung!“
Angemessene Wohnkosten Berlin
Hier sehen Sie die Richtwerte, die Hartz IV Empfängern entsprechend der Größe ihrer Bedarfsgemeinschaft zustehen.
Bedarfsgemeinschaft Größe | monatliche Bruttowarmmiete |
1 Person | 411,00 € |
2 Personen | 493,00 € |
3 Personen | 584,00 € |
4 Personen | 662,00 € |
5 Personen | 783,00 € |
für jede weitere Person | 97,00 € |
In begründeten Einzelfällen kann von diesen Richtwerten zu angemessenen Wohnkosten um bis zu zehn Prozent abgewichen werden, so beispielsweise
- bei Schwangeren oder Alleinerziehenden
- bisherige Wohndauer min. 15 Jahre
- wesentlicher sozialer Bezug zur Umgebung (Schulweg von Kindern, Kita etc.),
- Behinderung
- Leistungsempfänger über 60 Jahre
- Eintritt in den Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit
Betrachtet man jetzt schon die Wohnpreisentwicklung und die angemessenen Wohnkosten, die von Jobcentern zuerkannt werden, wird schnell klar, dass sich immer weniger Hartz IV Empfänger aus finanzieller Sicht erlauben können, in der Stadt zu leben. Aber genau das macht die Sache schwieriger für Betroffene, da meist auch der Wegzug aus der Innenstadt mit einer schlechteren Infrastruktur einhergeht, was die Jobsuche zusätzlich erschwert.
Grünen-Politiker Andreas Otto (52) kritisiert eine solche Abdrängung von finanziell Schwächeren an den Stadtrand und befürchtet die Bildung von Ghettos. „Wo sich arme Menschen ballen, ballen sich bald auch Probleme“, so der Abgeordnete gegenüber der „BILD“.