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Hartz IV Verfahren: Anwälte gewinnen immer

Anwälte können bei Widerspruchs- und Klageverfahren im Zusammenhang mit Hartz IV nicht verlieren, zumindest nicht aus finanzieller Sicht. Wie der „Spiegel“ unter Berufung auf das neu erschienene Buch „Vorsicht Rechtsanwalt – ein Berufsstand zwischen Mammon und Moral“ des Juristen und Ex-Fernsehjournalisten Joachim Wagner berichtet, haben viele Anwälte mit Hartz IV eine lukrative Einnahmequelle gefunden.

Hartz IV ist zu kompliziert

Obwohl das Sozialrecht bei Anwälten normalerweise aufgrund der niedrigen Gebühren eher als unattraktiv gilt, verhält es sich bei Hartz IV anders. Über die Masse an Widerspruchs- und Klageverfahren im Zusammenhang mit dem Arbeitslosengeld II können Anwaltskanzleien enorme Einnahmen erzielen. Wie der Spiegel schreibt, musste die Agentur für Arbeit im Jahr 2012 rund 39,6 Millionen Euro für die Honorare der Anwälte von Leistungsempfängern aufwenden.  Dadurch, dass die unter Kanzler Gerhard Schröder im Jahre 2005 eingeführten Hartz IV Regelungen eher als Flickenteppich anstatt solides Gesetzeswerk erlassen wurden, ergeben sich noch immer haufenweise Lücken und nicht eindeutige Regelungen aus den gesetzlichen Bestimmungen. Zudem mussten die Hartz IV Gesetze seit ihrer Einführung bis heute insgesamt 60 mal nachgebessert und modifiziert werden. Schlecht gestaltete Gesetze und Fehler der Jobcenter bzw. Agentur für Arbeit Mitarbeiter kosteten die Behörde für Widersprüche und Klagen also fast 40 Millionen Euro.

Im Jahr 2011 lag die Erfolgsquote von Hartz IV Klagen bei 44 Prozent.

Hartz IV Empfängern stehen finanzielle Hilfen in Form von Beratungsscheinen und Prozesskostenhilfe zu, was das Risiko für Betroffene minimiert, wodurch Anwälte bereits bei kleinen Beträgen aktiv werden. Teilweise sind die Beträge so klein, dass sie in keinem Verhältnis zum Anwaltshonorar stehen, weshalb es für manche Außenstehende den Anschein von Verschwendung macht. Berücksichtigt man aber, dass beispielsweise eine Klage auf Erstattung von 40 Euro Fahrtkosten bereits zehn Prozent des Regelsatzes ausmacht, so wirft das ein anderes Licht auf die Situation.

Zudem hat das Bundesverfassungsgericht zu einer Verfassungsbeschwerde entschieden, dass es keine Bagatellgrenze geben darf, damit auch finanziell schwach aufgestellte Menschen zu ihrem Recht kommen (BVerfG vom 24.03.2011, Az.: 1 BvR 2493/10).

Gewinnt ein Anwalt das Verfahren für seinen Mandanten, muss das Jobcenter die Kosten und Auslagen zahlen. Unterliegt er, fallen die Kosten meist der Staatskasse zur Last oder Anwälte verzichten – falls Prozesskostenhilfe nicht gewährt wurde –  auf ihr Honorar, um die ohnehin am Existenzminimum lebenden Mandaten nicht noch weiter zu beuteln. Die Anwaltshonorare bei Hartz IV Verfahren liegen dabei zwischen 50 und 550 Euro.

Untätigkeitsklagen und Überprüfungsanträge nehmen zu

Für Jobcenter und Sozialgerichte ist in den vergangenen Jahren ein regelrechter Teufelskreis entstanden. Diese sind nach dem Amtsermittlungsgesetz verpflichtet, allen Anträgen nachzugehen und diese gründlich zu prüfen. So können Anwälte die Behörden bereits mit einfachen Überprüfungsanträgen beschäftigen. Kommen diese dann – auch aufgrund der massiven Anzahl – der fristgerechten Bearbeitung nicht nach, kann bereits einen Tag nach Fristablauf die Untätigkeitsklage erhoben werden.

Wie der „Spiegel“ weiter berichtet, könne es auch nur ein Anwalt schaffen, eine ganzes Jobcenter lahm zu legen. Hierfür beispielhaft das niedersächsische Gifhorn, welches gemessen an den Bedarfsgemeinschaften die höchste Anzahl an Klagen in den alten Bundesländern vorzuweisen hat. Nach Schätzungen stammen von den etwa 3.600 Widersprüchen und 1.800 Klagen im Zeitraum zwischen 2008 und 2012 rund zwei Drittel von einer Kanzlei. Dem Jobcenter sind so im Jahr 2012 Kosten in Höhe von 72.000 Euro entstanden. Das Jobcenter im Unstrut-Hainich-Kreis, welches bereits durch eine 15-Cent Klage vor dem Bundessozialgericht die Medienaufmerksamkeit auf sich zog, stellte teilweise bis zu zehn weitere Mitarbeiter ein, um die Klagen eines Rechtsanwalts bewältigen zu können.

Auch in Berlin lässt sich ein Kern festmachen. In der Bundeshauptstadt kristallisierten sich in 2010 sechs Sozietäten heraus, die von den ansässigen Jobcentern Honorare von jeweils mehr als 100.000 Euro kassierten. Eine davon sogar mehr als 300.000 Euro.

Aber was soll´s, das ist nun mal der Job der Rechtsanwälte und wenn es sie nicht gäbe, würden Hilfebedürftige auch nicht zu ihrem Recht kommen. Auch wenn Anwälte, unabhängig vom Verfahrensausgang immer finanziell gewinnen, liegt die Schuld hier zum größten Teil an den unklaren Hartz IV Gesetzen und gleichzeitig an Fehlern der Mitarbeiter in den Behörden. Die Summen die durch die Ämter also für Anwaltshonorare aufgewendet werden müssen, sind weniger eine Abzocke der Anwälte als vielmehr teure Fehler des Staates und seiner Bediensteten.