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Hartz IV Reform 2015 – neuer, härter, unbürokratischer

Bereits voraussichtlich in 2015 kann mit einer Hartz IV Reform gerechnet werden, wie aus Medienberichten bekannt geworden ist. Mit dem Ziel, die Bürokratie im komplexen System abzubauen, hat die Bundesagentur für Arbeit zusammen mit Jobcenter-Mitarbeitern ein 63-seitiges Papier erarbeitet, welches das Leistungsrecht vereinfachen soll. Die Medaille hat jedoch bekanntlich zwei Seiten und ein paar positiven Veränderungen stehen den Leistungsempfängern auch erhebliche Härten entgegen.

Gegenüber der Mittwochsausgabe der „Bild“ erklärte Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit (BA), Heinrich Alt: „Wenn wir es einfacher machen wollen, wird es sicher auch wieder etwas ungerechter werden. Aber wenn wir nicht bereit sind zu etwas mehr Ungleichheit, wird das System so komplex bleiben“. Das erklärte Ziel der Hartz IV Reform sei es, Probleme zu lösen und Menschen wieder in Beschäftigung zu bringen. Da könne man nicht versuchen, jedem Einzelfall gerecht zu werden, weil es Hartz IV zu bürokratisch macht, so Alt.

Welche Erleichterungen sind zu erwarten?

Um den Bürokratieaufwand zu reduzieren, sollen Leistungsempfänger künftig nur noch alle zwölf Monate einen Hartz IV Antrag (Weiterbewilligungsantrag) stellen müssen. Die aktuelle Regelung sieht einen Folgeantrag alle sechs Monate vor. Durch eine Änderung des Zeitraums würde die Anzahl der Anträge und damit der Verwaltungsaufwand drastisch sinken.

Zudem soll eine Bagatellgrenze eingeführt werden, wonach vom Jobcenter zu viel erbrachte Beträge bis 50 Euro nicht mehr zurückgefordert werden sollen. Häufig stehe der zeitliche und personelle Einsatz aus Sicht der Jobcenter nicht im Verhältnis zum zurückgeforderten Betrag. Bisher fordert die Behörde jeden zu zu viel erbrachten Betrag zurück.

Bei akutem Bedarf, beispielsweise für einen neuen Kühlschrank oder andere dringende Anschaffungen, sollen Hartz IV Empfänger künftig Vorschüsse auf den nächsten Monat auch ohne Darlehensvertrag erhalten.

Hartz IV Verschärfungen

Im Zuge der Hartz IV Reform 2015 will sich die Bundesagentur für Arbeit auch den „unwilligen“ Leistungsempfängern annehmen, die wiederholt gegen die Regeln verstoßen. So sollen künftig bei Meldeversäumnissen noch schneller und unbürokratischer Leistungskürzungen in Form von Sanktionen (bis zu Vollsanktionen) ausgesprochen werden können. „Der durchschnittliche Aufwand für ein Meldeversäumnis und eine Sanktion und eine Umsetzung der Leistung beträgt circa eine Stunde für den Mitarbeiter. Das heißt also, die Zeit könnten wir dann einsparen und für andere Arbeiten hernehmen“, so BA-Sprecher Paul Ebsen in einem Interview mit RTL.

Wer künftig in eine teurere aber nicht größere Wohnung zieht, erhält nur noch die bisherige Miete für die alte Wohnung weitergezahlt. Hier ergeben sich besonders für Hartz IV Empfänger Probleme, die von einer günstigeren, ländlicheren Gegend in eine größere Stadt ziehen wollen.

Oft ist die eigene Selbständigkeit der einzige Weg, überhaupt eine Perspektive für aus der Arbeitslosigkeit zu schaffen. Doch auch hier wollen die Jobcenter ansetzen und harte Kriterien für Selbständige aufstellen, die ihr zu geringes Einkommen aus dem Unternehmertum mit ergänzenden Hartz IV Leistungen aufstocken müssen. So sollen die aufstockenden Leistungen für einen maximalen Zeitraum von zwei Jahren gezahlt werden. Ebenfalls ist geplant, dass aufstockende Selbständige entgegen aller steuerrechtlichen Regelungen nur noch pauschal 30 Prozent ihrer Betriebsausgaben zur Gewinnermittlung abziehen dürfen. So will die Behörde vermeiden, dass sich Selbständige mit ihren Ausgaben „arm rechnen“, um in den Leistungsbezug zu kommen.

Leistungsempfänger, die zweckgebundene Mietzahlungen vom Jobcenter nicht an den Vermieter weiterleiten, weil sie diese beispielsweise zur Deckung der Lebenshaltungskosten nutzen, erhalten keine weitere Unterstützung. Bisher mussten Jobcenter teilweise trotzdem mit Nachzahlungen einspringen, um die Existenz des Betroffenen in Notlagen zu sichern.

Wann kommen die Änderungen?

Bisher handelt es sich hierbei nur um Vorschläge der Bundesagentur für Arbeit und den Jobcenter Mitarbeitern, um das Hartz IV System zu vereinfachen. Ob diese Vorschläge angenommen und zu einer gesetzlichen Regelung führen, muss die Politik entscheiden. Gegenüber der „Bild“ sagte Alexander Schweizer (SPD), Sozialminister in Rheinland-Pfalz und Sprecher des „Bundesnetzwerks Jobcenter“, er rechne damit, dass die Reformierung von Hartz IV Ende dieses Jahres beschlossen werden könnte. Spätestens im November 2014 sollen hierzu konkrete Vorschläge der Arbeitsgruppe an die Arbeits- und Sozialministerkonferenz herangetragen werden, um eine gesetzliche Umsetzung anzustreben.

Dass die Jobcenter die Hartz IV Reform begrüßen, dürfte klar sein, schließlich haben Mitarbeiter der Behörde an der Entwicklung der Vorschläge tatkräftig mitgearbeitet. Eine Umsetzung der Vorschläge in gesetzliche Regelungen nannte Matthias Schulze-Böing, Sprecher des „Bundesnetzwerks Jobcenter“ gegenüber der „Bild“ als „Licht am Ende des Tunnels“.

Inge Hannemann, ehemalige Jobcenter Mitarbeiterin aus Hamburg und Hartz IV Kritikerin, die regelmäßig in ihrem Blog und auf Veranstaltungen über Misstände im System aufklärt, sieht Handlungsbedarf an anderen Stellen, wie sie gegenüber RTL erklärte. Konkret fehle es derzeit an Personal, um mehr Zeit für eine bessere Betreuung von Erwerbslosen zu haben. Darüber hinaus wäre ihrer Auffassung nach auch die Aufstockung der Gelder notwendig, die für wirkliche Umschulungen und sinnvolle Maßnahmen eingesetzt werden könnten. „Das passiert alles fast gar nicht mehr“, so Hannemann.

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