Bei über einem Drittel der Hartz IV Empfänger wurden innerhalb eines Jahres psychische Erkrankungen festgestellt. Das ist das Ergebnis einer am Donnerstag vorgestellten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und der Universität Halle-Wittenberg.
Bei den Forschungsarbeiten wurden zahlreiche Daten vieler Quellen herangezogen, so auch die Zahlen der Deutschen Rentenversicherung, der Krankenkassen sowie der Bundesagentur für Arbeit. Insgesamt sind die Ergebnisse besorgniserregend.
Die Zahlen der AOK zeigen eine steigende Tendenz zu psychischen Erkrankungen. Hier wuchs der Anteil der Hartz IV Empfänger von 32,6 Prozent im Jahr 2007 auf 40,2 Prozent im Jahr 2011. Auch von der Techniker Krankenkasse (TKK) liegen ähnliche Zahlen vor. Während in 2006 bei berufstätigen Versicherten in 21,8 Prozent der Fälle eine psychische Erkrankung festgestellt wurde, lag der Anteil bei Hartz IV Empfängern bei 36,7 Prozent.
Die psychischen Erkrankungen sind laut Forschungsergebnis, die auf den Krankenkassendaten beruhen, sehr vielfältig. So litten die Arbeitslosen an affektiven und neurotischen Störungen, Depressionen und Angststörungen sowie seelisch bedingten körperlichen Leiden.
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Jobcenter Mitarbeiter überfordert
Befragte Jobcenter Mitarbeiter und Fallmanager gaben an, dass sie zum Teil von 40 Prozent und sogar von der Hälfte bis zu zwei Dritteln der Hartz IV Empfänger mit psychischen Problemen ausgehen. Dennoch sind die Sachbearbeiter überfordert und können in den häufigsten Fällen nicht erkennen, ob ob jemand an einer psychischen Störung leide. So werden die Symptome von seelischen und körperliche Leiden häufig falsch von den Sachbearbeitern interpretiert und Leistungsbeziehern als mangelndes Interesse an einer Jobvermittlung ausgelegt, so die Forscher.
Teilweise gaben Mitarbeiter der Behörde an, dass es aufgrund der Vielzahl der Arbeitslosen zeitlich nicht möglich sei, angemessen auf psychisch erkrankten Leistungsbezieher einzugehen.
Forscher kritisieren standardmäßige Fortbildungsmaßnahmen
Die Forscher der Studie bemängeln, dass die Fortbildungsmaßnahmen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt oft viel zu kurz seien. Zudem wird bei diesen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten mangels Alternativen häufig zu Standardverfahren gegriffen, weshalb eine individuelle Betreuung der Hartz IV Empfänger nur bedingt möglich sei oder ausscheide.
Fortbildung für Jobcenter-Mitarbeiter
Um der aktuellen Entwicklung entgegenzuwirken, plädieren die Wissenschaftler für mehr Unterstützung und Förderung der betroffenen Hartz IV Empfänger. Um zu vermeiden, dass „die Fallbearbeitung in den Jobcentern bestehende Probleme verschlimmert, was durch inadäquate Ansprache, falsche Maßnahmezuweisung oder gar Sanktionen wegen fehlender Mitwirkung (…) der Fall sein kann“, fordern die Forscher Fortbildungsmaßnahmen für die Fallmanager.
Darüberhinaus müssten passgenauere Eingliederungsmaßnahmen für den betroffenen Personenkreis sowie eine längere Nachbetreuung bei erfolgreicher Jobvermittlung eingeführt werden.
Angesichts dieser Studienergebnisse sprach die Arbeitsmarkt-Expertin der Grünen, Brigitte Pothmer, von einem „Alarmzeichen“. Betroffene „dürfen nicht ins Abseits gestellt werden„, so die Politikerin. Ihrer Meinung nach müssten sich Jobcenter besser auf Leistungsbezieher mit psychischen Erkrankungen einstellen.
Herausforderung für die Bundesagentur für Arbeit
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) will die Studienergebnisse als Ansporn für eine bessere Betreuung von Betroffenen nutzen. „Wir fühlen uns von dieser Studie herausgefordert, dieses Thema noch intensiver zu bearbeiten als bisher“, sagte der BA Vorstand, Heinrich Alt, in einem Interview gegenüber der dpa. Jobcenter Mitarbeiter sollen künftig besser für den Umgang mit Arbeitslosen mit psychischen Beeinträchtigungen geschult werden.
Zur Studie: http://doku.iab.de/forschungsbericht/2013/fb1213.pdf