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LSG kippt Mietobergrenzen bei Hartz IV – aber in die andere Richtung

Gericht kippt WAVDas heutige Urteil des LSG Berlin-Brandenburg in Potsdam wurde mit Spannung erwartet. Schließlich wurde nun die Wohnungsaufwendungenverordnung (WAV) zum zweiten mal durch eine gerichtliche Entscheidung gekippt. Entgegen aller Annahmen, erging die Entscheidung des Gerichts jedoch in die anderer Richtung. Nach Aussage des Gerichts werden die Heizkosten zu hoch ermittelt, mit der Folge, dass Menschen, die geringere Heizkosten haben, in einer teureren Wohnung leben können, so der Vorsitzende Richter Wolfgang Due. In diesem Zusammenhang sprach er von einer „unzulässigen Quersubventionierung überteuerter Kaltmieten“. 

Kurz gesagt: Das Gericht erklärt die Verordnung für unwirksam, aber nicht weil sie zu niedrig und unangemessen ist, sondern weil die Heizkostenzuschüsse für Hartz IV Empfänger für zu hoch angesehen nicht plausibel ermittelt werden. Nun muss der Berliner Senat nachbessern.

Geklagt hatte eine Hartz IV Empfängerin zusammen mit ihrem Sohn. Allerdings ging es bei der Klage nicht um die individuelle Höhe der Miete, sondern vielmehr über die Zulässigkeit der Verordnung, ein sog. Normenkontrollverfahren. Nach der Einführung durch den Senat im April 2012 stieß die WAV immer wieder auf Widerstand. Die Verordnung bildet die Mietobergrenzen bei der Ermittlung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung bei Hartz IV Haushalten und wurde zunehmend als zu niedrig und nicht ausreichend angeprangert, da die aktuellen MIetpreissteigerungen nicht berücksichtigt werden. Die Entscheidung des Gerichts ging unerwarteterweise genau in die entgegengesetzte Richtung.

Auch die Chefin des Diakonischen Werks, Susanne Kahl-Possoth, reagierte recht erstaunt zur Entscheidung des Berliner Landessozialgerichts:„Obwohl immer weniger Wohnungen im unteren Preissegment zur Verfügung stehen, haben die Jobcenter die Richtwerte für die angemessenen Kosten der Unterkunft nicht an die aktuellen Mietpreise bei Neuvermietung angepasst. Wenn jetzt das Gericht sagt, die Verordnung sei zu hoch angesetzt, ist das mehr als zynisch“, so die Direktorin.

Das Gericht monierte die Werte für Heizkosten, die nicht angemessen ermittelt worden wären. Anstatt realer Werte nehme der Senat eine Missbrauchsgrenze, die allerdings systematisch zu hoch sei. So sei es möglich, trotz 20 oder 30 Euro tatsächlicher Heizkosten, einen Betrag von 100 Euro zu erhalten, wenn dieser Wert für die Wohnungsgröße als angemessen festgelegt wurde. Dadurch seien die gesamte Richtwerte zur Ermittlung der Bruttowarmmieten so verzerrt, dass die gesamte Verordnung für unwirksam erklärt wurde. Darüber hinaus bemängelt das Gericht auch die ganze Palette an Ausnahmeregelungen, wie beispielsweise für Schwangere oder Senioren über 60, wonach prozentuale Erhöhungen der Wohnkosten möglich sind. Nach Ansicht des 36. Senats des LSG dürfen in einer Verordnung aber nur abstrakte und angemessene Werte festgehalten und Härtefälle einer einzelfallbezogenen Überprüfung unterzogen werden.

Berlins Sozialsenator Mario Czaja (CDU) will nun die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und und dann klären, ob ein Revisionsverfahren angestrebt wird, welches zugelassen wurde.

(LSG Berlin-Brandenburg vom 25.04.2013, Az. L 36 AS 2095/12 NK)