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Jobcenter muss Hartz IV Beziehern Fahrtkosten für Umgangsrecht erstatten

Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen hat mit seinem Urteil L 7 AS 1911/12 im Berufungsverfahren entschieden, dass die Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts nicht aus dem Regelsatz bestritten werden müssen, sondern dass das Jobcenter hier zusätzliche Leistungen erbringen muss. Zwar ist im Regelsatz bereits ein Teil des Bedarfs für Fahrtkosten vorgesehen, dieser betrifft aber nur die allgemeinen Fahrten des Alltags und kann nicht noch zusätzlich auf die Ausübung des Umgangsrechts ausgedehnt werden, wie zunächst von der Behörde gefordert.

Geklagt hatte ein 45-jähriger Vater, der im Hartz IV Bezug steht und dem regelmäßig Fahrtkosten in Höhe von 27,20 Euro monatlich im Rahmen seines Umgangsrechts für die vierjährige Tochter anfielen. Das Jobcenter verweigerte die Kostenübernahme und berief sich darauf, dass der Hartz IV Bezieher diesen Betrag aus dem Regelsatz ansparen müsse (§ 21 Abs. 6 SGB II), zumal die Kostenübernahme eine Bagatellgrenze von 10 Prozent des Regelsatzes nicht übersteige .

Der Widerspruch brachte zunächst keinen Erfolg und gegen die Entscheidung des Sozialgerichts Detmold (S 23 AS 2830/10) ging das Jobcenter in Berufung, so dass das Landessozialgericht NRW über die Sache zu verhandeln hatte. Der Senat des LSG NRW urteilte zu Gunsten des ledigen Vaters.

Zum Einen biete der § 23 Abs 1 SGB II, auf den sich das Jobcenter in seiner Argumentation beruft, keine Anhaltspunkte für eine „Bagatellgrenze“. Diese Norm bezieht sich auf die Leistungsgewährung in Form eines Darlehens und dem damit verbundenen Abtrag von 10 Prozent der Regelleistung. Daraus lasse sich aber nicht auf eine Bagatellgrenze schließen, auch nicht nach den Vorschriften des § 73 SGB XII. Die vom beklagten Jobcenter genannte Bagatellgrenze gibt es also nicht.

Entgegen der Auffassung des Beklagten existiere nach Auffassung des SG jedoch keine sog. Bagatellgrenze, wonach der Leistungsberechtigten pauschal und ohne weitere Prüfung immer dann auf vorrangige Einsparmöglichkeiten verwiesen werden könne, wenn der atypische Bedarf „lediglich“ in einer Höhe von bis zu 10% des Regelbedarfs anfalle.

Die Entscheidung des LSG fiel erneut für den Kläger aus. Auch ein Bedarf von „nur“ 27,20 Euro für die Fahrtkosten zur Ausübung des Umgangsrechts sei ein unabweisbarer Bedarf gem. § 21 Abs. 6 SGB II. Demzufolge hat das Jobcenter die Kosten zu erstatten, ohne dass der Hartz IV Empfänger diese aus der Regelleistung ansparen muss. Ebenso sind die Freibeträge aus Erwerbstätigkeit beim Leistungsberechtigten zu belassen. Sofern diese Freibeträge zur Deckung eines atypischen Bedarfs eingesetzt werden müssen, bedarf es einer gesetzlichen Grundlage.

Das Landessozialgericht LSG hat die Berufung des Jobcenters zurückgewiesen und der Behörde auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt. Die Revision vor dem Bundessozialgericht wurde zugelassen.

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