Empfänger der Grundsicherungsleistung Arbeitslosengeld II (Hartz IV) haben in der Bevölkerung allgemein mit sehr vielen Vorurteilen zu kämpfen. Durch Einzelfälle wie „Florida-Rolf“, „Mallorca-Karin“ oder Arno D. aus Hamburg steigt der Unmut gegen die Schwächsten der Gesellschaft. Bereits im Oktober letzten Jahres ergab eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD), dass 40 Prozent der Befragten (ab 16 Jahren) Hartz IV Empfänger für faul halten und 57 Prozent gaben sogar an, dass Leistungsempfänger scheinbar eine mangelnde Qualifikation vorweisen können oder bei der Arbeitssuche zu wählerisch seien. Die Realität sieht glücklicherweise anders aus.
„ALG-II-Bezug ist nur selten ein Ruhekissen“
Wie den Medien zu vernehmen ist, haben sich drei Wissenschaftler des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) der Sache angenommen, die Motivation von Hartz IV Leistungsempfängern zu untersuchen. Die Studie „ALG-II-Bezug ist nur selten ein Ruhekissen“, bringt Gegenteiliges zu den Vorurteilen der Bevölkerung hervor.
Alleine rund ein Drittel der Befragten würden Hartz IV nur aufstockend beziehen, da sie einer Erwerbstätigkeit nachgehen, meistens Minijobs. Zehn Prozent befinden sich in einer Ausbildung und weitere zehn Prozent sind in einer Maßnehme des Jobcenters. Auch der Anteil der Personen, die sich um ihre kleinen Kinder kümmern, liegt ebenfalls bei zehn Prozent und weitere fünf Prozent der Befragten pflegen Familienangehörige. Der Großteil der Hartz IV Empfänger sei damit gar nicht verpflichtet, sich auf Jobsuche zu begeben.
75 Prozent gaben an, dass Arbeit zu haben, das Wichtigste im Leben sei. Nach Ansicht der Forscher ist damit die Motivation von Hartz IV Empfängern höher als die der übrigen Bevölkerung. Zwei Drittel gaben an, in den letzten vier Wochen nach einer Arbeitsstelle gesucht zu haben.
Gut 350.000 Leistungsbezieher würden keine Eigenbemühungen nachweisen können, obwohl sie dazu verpflichtet sind. Nach Ansicht der Forscher sollte hier allerdings nicht zu vorschnell geschossen werden. Die Gründe hierfür sind vielfältig, warum keine aktive Arbeitssuche vorgenommen wird. „Nur eine sehr kleine Minderheit nennt Gründe, die als direkte Hinweise auf eine fehlende Arbeitsmotivation gedeutet werden könnten“, so die Wissenschaftler. Bei dieser Minderheit gaben die Befragten beispielsweise an, dass das Haushaltseinkommen ausreiche oder die Lage so aussichtslos sei, dass sich die finanzielle Situation nicht verbessern würde.
Nach den Studienergebnissen lässt sich darauf schließen, dass es sich bei den 350.000 um viele ältere und kranke Menschen handelt, die von ihrer Situation nach langer, erfolgloser Jobsuche entmutigt auf die Rente warten. Für fehlende Arbeitssuche werden in der Tat am häufigsten gesundheitsbedingte Gründe genannt, so die Forscher des Instituts.
Das Bild des faulen Arbeitslosen gehört lt. IAB-Chef Jürgen Möller damit zu den „Mythen der Arbeit“.
Hartz IV ist entwürdigend und macht krank
Der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, Heinrich Alt, der mittlerweile fast vier Jahrzehnte für die Arbeitsagentur tätig ist, weiß nach eigenen Angaben aus erster Hand, wie es tatsächlich um Hartz IV Empfänger bestellt ist und warnt davor, diese anders darzustellen als in der Realität. „Ich treffe in den Jobcentern Menschen, die sagen, dass das Herumsitzen sie krank macht, die das Gefühl vermissen, gebraucht zu werden und die so sehr auf ein Erfolgserlebnis hoffen“, so der BA Chef in einem Interview. Seiner Erfahrung nach würde der dauerhafte Bezug von Sozialleistungen von den Betroffenen als entwürdigend empfunden.
Dass die meisten Hartz IV Bezieher dem überwiegenden Vorurteil nicht entsprechen, zeigt auch die Sanktionsquote. Zwar sei im vergangenen Jahr mit mehr als einer Million Hartz IV Sanktionen ein Höchstwert erreicht worden, dennoch liegt die Quote, gemessen an den Leistungsbeziehern, gerade mal bei 3,4 Prozent im Bundesdurchschnitt (3,3 West/ 3,5 Prozent Ost). Die meisten Hilfebedürftigen sind also nicht untätig.
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